Kritik zu Oxana – Mein Leben für Freiheit
Die französische Filmbiografie widmet sich der ukrainischen Künstlerin und FEMEN-Aktivistin Oxana Schatschko, die sich im Pariser Asyl das Leben nahm
Eugène Delacroix' Gemälde »Die Freiheit führt das Volk« ist ikonisch. Seine Marianne, die, oben ohne, die französische Fahne schwenkt und Revolutionäre anführt, diente, so legt es diese Filmbiografie nahe, Oxana Schatschko als Inspiration. Und mit Ikonen kannte sich die Ukrainerin, die bereits als achtjähriges Wunderkind eine eigentlich Männern vorbehaltene Schule für Ikonenmalerei besuchte und als Auftragsmalerin für die orthodoxe Kirche arbeitete, aus.
Diese ebenso energiegeladene wie melancholische Chronik ihres kurzen Lebens, in dem Kunst und Revolte eins waren, wird in zwei Geschwindigkeiten erzählt. Die erste Ebene handelt vom Ablauf des 23. Juli 2018, jenem Tag, an dem sich die 31-Jährige, nach einer erfolgreichen Vernissage ihrer »Iconoclast«-Gemälde in einer Pariser Galerie, das Leben nahm.
Durchflochten ist dieser Bericht von den Stationen ihres Werdegangs von einer anfangs religiösen jungen Frau, die sich im Kunststudium häutet, zur Mitgründerin der Gruppe FEMEN, die aufsehenerregende Aktionen initiiert. Brutale Repression und Isolationshaft zwingen sie, mit gebrochenen Armen, ab 2013 ins Pariser Asyl. International bekannt wurden die Feministinnen durch provozierende Auftritte, bei denen sie mit Parolen wie »Die Ukraine ist kein Bordell« und »Fuck Putin« auf den nackten Brüsten, auf dem Kopf den traditionellen Blumenkranz des Kupala-Festes, Korruption, Missbrauch und Sextourismus anprangerten.
Der Film, aus der – spekulativen – Perspektive der Hauptfigur erzählt, ist eine Aneinanderreihung von hautnah inszenierten emotionalen Schlüsselmomenten. Da ist die postsowjetisch kaputte Heimat, deren Tristesse Oxana in ausgelassenen Kneipenrunden und ersten fantasievollen Protestveranstaltungen entflieht. Die Fröhlichkeit der Anfänge mit ihrer romantischen »Lebe wild und gefährlich«-Stimmung weicht realen lebensgefährlichen Aktionen. Im Pariser Exil entzweien sich die Aktivistinnen. Euphorische Frauensolidarität, Todesangst in den Händen des KGB, Einsamkeit und Bedeutungsverlust in Paris, wo sie zum Maskottchen der Bohème wird: Ihr Leben erscheint als eine Achterbahnfahrt der Gefühle, die einen auch dank des intensiven Spiels der Ukrainerin Albina Korzh, klein, mager und schön, nicht unberührt lässt. Wie depressiv die reale Oxana war, lässt sich im arte-Dokumentarfilm »Apolonia, Apolonia«, dem Porträt einer französischen Malerin, die mit Oxana zusammenlebte, erahnen.
Dieses Requiem verweigert sich billiger Küchenpsychologie. Doch hinter der selbstzerstörerischen Getriebenheit der Heldin wird stets der Motor ihrer Empörung, das Ausgeliefertsein an eine patriarchalische Gesellschaft, deutlich. So ist der Film auch eine Hommage an FEMEN, eine Frauenbewegung von unten, die mehr Beachtung verdient hätte. Bis heute protestieren die Aktivistinnen unter hohem persönlichem Risiko gegen sexistische Ausbeutung, Prostitution, Kinderhandel und Leihmutterschaft ebenso wie gegen die Scharia und gegen Putin.
Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns