Kritik zu In the Name of the Son

Trailer OmeU © Drop-Out Cinema

Ein religiöser Zombiefilm? Vincent Lannoo vereint Bibel mit Splatter zur spirituellen Apokalypse

Bewertung: 4
Leserbewertung
3.5
3.5 (Stimmen: 2)

Bei einer Naturkatastrophe sterben viele Menschen. Wenn Gott die Welt schuf – wie konnte er das zulassen? Auf solche Fragen gibt Elisabeth (Astrid Whettnall), die für eine christliche Call-in-Radiosendung arbeitet, ihren Hörern wortreiche, aber nicht wirklich überzeugende Antworten. Sorgfältig kadrierte Bilder und betont langsame Kamerafahrten führen hinein in die idyllische Welt dieser streng katholischen Hausfrau und Mutter. Sie staubt das Kruzifix ab, schiebt den Braten in die Röhre und lobpreist die erzieherische Autorität ihres Mannes. Mit sich und der Religion scheint sie im Reinen zu sein.

Doch in der Parallelmontage ist zu sehen, dass ihr Gatte keineswegs auf eine »spirituelle Reise« gegangen ist. Er nimmt am Manöver einer christlichen Wehrsportgruppe teil. Zu Wagners Walkürenritt gehen die Gotteskrieger auf Osama-bin-Laden-Pappkameraden los. Dabei schießt Elisabeths Mann sich versehentlich eine Kugel durch den Kopf. Provozierend spritzt das Blut aufs Kameraobjektiv: Mit dieser grellen Gegenüberstellung zwischen fundamentalistischem Splatter und spießiger Erbaulichkeit scheint der belgische Regisseur Vincent Lannoo schon nach zehn Minuten sein Pulver verschossen zu haben. Was soll da noch kommen?

Erst allmählich begreift man in diesem »campy« anmutenden Film, wie ernst Lannoo und sein Koautor Philippe Falardeau ihr Thema nehmen. Das zeigt die extrem verdichtete Konfliktstruktur: Auf das Outing ihres 13-jährigen Sohns Jean-Charles, der sich live im Radio zu einer schwulen Beziehung zu einem Priester bekennt, bricht Elisabeth entsetzt den Diskurs ab. Der verzweifelte Suizid ihres Jungen stellt die Katholikin prompt vor das Folgeproblem seines Seelenheils. Als nächstes Glied einer Kette des Versagens verdreht der um Rat gefragte Bischof den Sachverhalt. Er verunglimpft den Selbstmörder als perversen Verführer. Die brüskierte Mutter schlägt ihm den Schädel ein – eine Szene, die Gaspar Noé nicht fieser hätte filmen können. Eine Geheimliste des Bischofs, die pädophile Priester verzeichnet, wird für Elisabeth zur blutigen Mission.

Die groteske Selbstverständlichkeit, mit der hier eine Kettenreaktion der Verwüstung ausgelöst wird, lehnt sich inszenatorisch an Godards Weekend an, gewürzt mit etwas Tarantino. Verstörend an diesem Szenario ist aber nicht der Gewaltausbruch. Die Wahrhaftigkeit, mit der Astrid Whettnall diese tiefgläubige Frau spielt, die sich verraten fühlt, erinnert den Zuschauer daran, dass es hier nicht wie im gewöhnlichen Horrorfilm zugeht. In the Name of the Son ist ein religiöser Zombiefilm. Im hohl klappernden Diskurs der durchweg nuanciert gezeichneten Pfaffen, Gläubigen und Fanatiker ist das Menschliche, das Lebendige abhandengekommen. Sie sind das seelische Äquivalent zu den Untoten aus Romeros apokalyptischen Visionen. Entsprechend bricht im Schlussbild die Sintflut herein. Das sei, so Elisabeth, nicht der Zorn Gottes, sondern das Wüten der Natur. Die Ambivalenz ihrer letzten Worte zeigt, dass In the Name of the Son irgendwie doch kein atheistischer Film ist.

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