Kritik zu Maleficent: Die dunkle Fee

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Es war einmal Dornröschen – bloß etwas anders, als Sie bisher dachten. 55 Jahre nach dem Zeichentrick-Klassiker erfindet Disney das Märchen als opulentes CGI-Spektakel neu. Im Zentrum: eine imponierende Angelina Jolie

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Eisig grüne Augen und knallrote Lippen, spitze Ohren und scharfkantige Wangenknochen, wallendes Cape und imposantes Hörnerpaar: eine erhabene, eindrucksvolle Gestalt ist das, faszinierend und furchteinflößend zugleich. Mühelos kontrolliert sie die Naturgewalten, gewinnt ganze Schlachten im Alleingang, beherrscht jede Schlosshalle, die sie betritt: eine Furie des Feenreichs, eine Meisterin aus dem Märchenwald. Angelina Jolie, der selbst in ihren realistischeren Rollen etwas Statueskes und Überirdisches anhaftet, stattet diese Figur mühelos mit Autorität, Charisma, ja Grandeur aus: Sie erstrahlt, ganz Kinogöttin, wie eine dunkle Fantasy-Domina.

Und Jolie legt, das ist der Kniff dieser Neuverfilmung, die eher eine Neuerfindung ist, die Heldin keineswegs bloß als finstere Antagonistin an, sondern erfüllt sie zugleich mit Melancholie und Ambivalenz. Irgendwo steckt ein Engel in dieser Teufelin, und deshalb dürfen wir, Fluch hin oder her, hemmungslos mit ihr sympathisieren.

Den Dornröschen-Mythos stellt die Autorin Linda Woolverton gleichsam auf den Kopf, wenn sie ihre Story nicht auf die Königstochter, sondern auf ihre Gegenspielerin fokussiert und dabei die bekannten Elemente erstaunlich weit in den Hintergrund rückt. Während der schwungvollen Exposition stellt sich vor allem die Frage, wie die junge Maleficent, ein sonniges und lebenslustiges Geschöpf, sich jemals in die titelgebende Fee verwandeln könnte. Die Antwort erinnert eher an die Ballade von den beiden Königskindern als ans Grimmsche Märchen: aus Enttäuschung darüber, dass die Liebe zwischen einem geflügelten Fabelwesen und einem ehrgeizigen Menschensohn nicht stark genug ist, um die Grenze zwischen ihren Welten zu überwinden. So erzählt der Film, hübsch modern und politisch korrekt, vor allem davon, dass jeder seine Gründe hat und dass Schmerz die Wurzel aller Grausamkeit ist.

Viel mehr Tiefe und Relevanz darf und muss man von einem Blockbuster wie diesem nicht erwarten. Regisseur Robert Stromberg setzt voll und ganz auf Schauwerte und sinnliche Erfahrungen, auf die durchaus spektakuläre Erschaffung eines ganz neuen Kosmos, der zwar von Ferne an Avatar, Herr der Ringe und andere 3D-Epen erinnert, im Grunde aber das Kunststück schafft, frisch und originell zu wirken.

Dass die Walt Disney Pictures das 200-Millionen-Dollar-Projekt einem Debütanten anvertrauten, kann dabei nur auf den ersten Blick überraschen: Stromberg ist seit Jahrzehnten erfolgreicher Ausstatter und Effektspezialist (er gewann Oscars für Alice im Wunderland und Avatar), und auf genau diese Kombination kommt es bei „Maleficent“ an. Sehr überzeugend gelingt es Stromberg, die Grenze zwischen Real- und Animationsfilm im Grunde aufzuheben, extrem artifizielle und zugleich wunderschöne Bilder zu erfinden – und dabei nicht zu vergessen, dass immer noch Emotionen die Basis für jedes gute Märchen sind. Das Ergebnis hat das Zeug zu einem Disney-Klassiker für die nächsten 55 Jahre.

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