Kritik zu Lone Survivor

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Wahre Geschichte, echtes Leid und neuer Mythos: Peter Berg inszeniert einen fehlgeschlagenen Einsatz von US-Soldaten in Afghanistan und trägt zur
Kreation eines neuen Heldenbilds bei

Bewertung: 3
Leserbewertung
2.5
2.5 (Stimmen: 6)

Kein Kriegsfilm steht allein – er ist stets umzingelt von den verschiedensten Ansprüchen und Meinungen, politischen Bedenken und ästhetischen Urteilen. Im Fall von Lone Survivor scheint es zu Beginn noch relativ einfach, die sich überlagernden Diskurse auseinanderzuhalten. Der Schauspieler Peter Berg (»Chicago Hope«), der sich seit einigen Jahren aufs Produzieren, Schreiben und Regieführen verlegt hat (»Friday Night Lights«, Hancock), hat mit Lone Survivor das gleichnamige autobiografische Buch von Marcus Luttrell verfilmt. Luttrell, ein US-amerikanischer Navy-SEAL, schildert darin einen katastrophal gescheiterten Einsatz in Afghanistan, der am Ende 19 US-Soldaten das Leben kostete. Er selbst ist der titelgebende einzige Überlebende einer Operation, die ihn zusammen mit drei weiteren SEALs zunächst in den Bergen des Hindukusch absetzte, um einen Taliban-Führer ins Visier zu nehmen.

Luttrells Buch ist mehr als ein reiner Tatsachenbericht. Er schildert darin mit texanisch-großmäuligem Pathos auch den eigenen Werdegang und insbesondere das legendär harte Training zum SEAL, das sprechenderweise mit einer »Woche der Hölle« seinen Abschluss findet. Zusätzlich macht Luttrell aus seinen politischen Ansichten kein Geheimnis, verleiht seiner nachhaltigen Verehrung für Präsident Bush (zum Zeitpunkt des Einsatzes, Juni 2005, im Amt) Ausdruck und brandmarkt die »liberalen Medien« als Quelle des Übels und als in indirekter Weise Mitschuldige am Tod seiner Kameraden. Für Letzteres glaubt er einen schlüssigen Beleg zu haben: Das Scheitern ihrer Mission begann in dem Moment, als sein Viermannteam zufällig von Ziegenhirten entdeckt wurde. Zwar war es für die hochbewaffneten SEALs ein Leichtes, die Hirten festzunehmen, umso schwerer fiel die Entscheidung, was sie mit ihnen machen sollten. Mit ihrer Freilassung würden sie ihren Standort verraten; sie zu töten aber wäre gegen die »rules of engagement« und bei Entdeckung ein gefundenes Fressen für besagte liberale Medien. Die Entscheidung, die sie letztlich getroffen haben, schildert Luttrell als verheerenden Fehler – schließlich kostete sie nicht nur seine drei Kameraden, sondern weitere 16, die zu ihrer Hilfe kommen wollten, das Leben.

Aus diesem hoch emotionalen, komplizierten und polemischen Buch macht Peter Berg nun einen überraschend geradlinigen Kriegsfilm. Das berüchtigte SEAL-Training am ungemütlich-nächtlichen Pazifikstrand leitet als traumartige Sequenz über zur Vorbereitung der Mission in Afghanistan. In einem Mosaik aus lakonischen kurzen Szenen werden beiläufig die Protagonisten vorgestellt. Aus Unterhaltungen über Ehefrauen, Hochzeitsgeschenke und Kinder ergibt sich für jeden Einzelnen ein bisschen Hintergrund, sorgfältig abgefedert durch den Gesprächston, den gepflegten Zynismus derer, die das Hartsein kultivieren. Ohne viel Gestaltungsspielraum gelingt es Eric Bana als Befehlshaber der Basisstation sowie Mark Wahlberg, Ben Foster, ­Emile Hirsch und Taylor Kitsch als den vier SEALs mit Spezialauftrag, ihren Charakteren Profil zu verleihen. Parallel dazu stellt der Film auch die Kriegsgegner vor, eine Menge sich in einem Dorf sammelnder, finster blickender Männer, deren raue Rufe in unverständlicher Sprache natürlich nichts Gutes verheißen.

Der Großteil des Films besteht aus bestens fotografiertem Scharmützel, dem immer verzweifelteren Rückzugskampf der vier gegen eine Überzahl an Taliban. Nicht zuletzt durch eine Tontechnik, die den Zuschauer mitten im Kugelhagel platziert, macht Berg den Krieg »hautnah« erlebbar. Die Deutlichkeit, mit der er die vielen Verwundungen seiner Soldaten zeigt, hat ihm nicht ganz unverdient den Vorwurf des »Kriegspornos« eingebracht.

Daraus ergibt sich eine so zwiespältige wie interessante Überlagerung: Im Gestus, so realistisch wie möglich zu zeigen, wie es wirklich war, vollendet Berg hier, was Kathryn Bigelow mit Zero Dark Thirty begann – ein Trend, der sich auch in Filmen wie Captain Phillips zeigt, überall da, wo die Navy-SEALs die Lage retten: Statt der zwiespältigen Helden mit posttraumatischem Symptom, der korrupten Legionäre und Folterer der Kriegsfilme der letzten Jahre ist nun ein neuer amerikanischer Held geboren, mit tadellosem Körper, lockerem Mundwerk und einer schier übermenschlichen Ausdauer für Schmerzen.

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