Kritik zu Little Miss Sunshine

Trailer englisch © 20th Century Fox

Familie Hoover auf dem Weg zur Misswahl

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"Refuse to lose" heißt das Erfolgsrezept von Richard Hoover - ein Neun-Stufen-Programm der Selbstmotivation, das aus jedem Verlierer einen Gewinner machen soll. Wirklich eindrucksvoll sieht das aus, wenn Richard es präsentiert, mit dem Enthusiasmus des geborenen amerikanischen Selfmade-Mannes. Um dies als Illusion zu entlarven, benötigt der Film allerdings nur einen einzigen Schnitt: von Richard auf seine Zuhörer, einen kläglichen Haufen, dem selbst dieser Daueroptimist wohl nur bedingt Chancen einräumen kann. Das jedenfalls besagt sein Gesichtsausdruck, als die Teilnehmer sich von ihm verabschieden.

Die Präzision und gleichzeitig Lässigkeit des filmischen Verfahrens, das hier praktiziert wird, macht die Qualität von Little Miss Sunshine aus - das Handwerk, das das Regieduo Jonathan Dayton und Valerie Faris bei Videoclips und Werbespots erlernt hat, nützt es in seinem Spielfilmdebüt für eine lakonische Erzählweise, die auf visuelle Exaltiertheiten verzichtet und stattdessen das Beste aus den Darstellern herausholt.

Dadurch werden die Figuren höchst glaubwürdig, und man sieht ihnen über die Dauer des Films mit wachsendem Interesse zu. Das war bei jenen amerikanischen Filmen, die zuletzt die Dysfunktionalität familiärer Beziehungen in den Mittelpunkt stellten und diese mittels Karikatur erfassten, Filmen wie Thumbsucker und Glück in kleinen Dosen, nicht der Fall.

Auch die Mitglieder der Familie Hoover wirken auf den ersten Blick ziemlich "daneben": Teenager-Sohn Dwayne ist bekennender Nietzsche-Verehrer, der sein Schweigegelübde, bis er endlich Luftwaffenpilot werden kann, seit mittlerweile neun Monaten durchhält; die siebenjährige Olive quittiert die Teilnahme an einer Misswahl mit hysterischen Schreien; der Großvater hat im Alter die Freuden des Hedonismus entdeckt und wurde wegen des Konsums harter Drogen aus dem Altersheim geworfen; Schwager Frank hat man soeben in die Obhut seiner Schwester überstellt, nachdem er einen Selbstmordversuch unternommen hatte. Da verwundert es nicht, dass Mutter Sheryl, sichtbar überfordert davon, den Zusammenhalt dieser Familie täglich aufs Neue zu bewerkstelligen, allabendlich nur noch einen großen Pappeimer mit Hühnchenteilen von einer Fast-Food-Kette auf den Tisch zu stellen vermag.

Vater Richards Devise, es gäbe nur Gewinner oder Verlierer, scheint beim Nachwuchs auf fruchtbaren Boden gefallen zu sein, aber doch in einer Form, die nicht einmal ihn glücklich macht. Beim Abendessen jedenfalls ist die Atmosphäre von lautstarken Auseinandersetzungen geprägt. Aber kurz darauf finden sich doch alle in einem klapprigen gelben VW-Bus wieder, um die 700 Meilen nach Kalifornien zurückzulegen, dem Land der Verheißung in der amerikanischen Mythologie, wo Olive um den Titel der "Little Miss Sunshine" konkurrieren wird.

Natürlich kommen die sechs sich im Verlauf der Reise näher, natürlich kommen sie auch dem Zuschauer näher, auch wenn beides im stotternden Takt des VW-Motors geschieht - weder ist am Ende die körperliche Distanz zwischen den Eheleuten aufgehoben, noch wissen wir, ob Frank wirklich der bedeutendste Proust-Kenner der USA ist (als den er sich selber bezeichnet). Insofern ist der Film auch in seinem Optimismus verhalten, was den Akt der Solidarität, den die Mitglieder der Familie Hoover für ihr jüngstes beim Wettbewerb praktizieren, in keiner Weise schmälert.

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