Kritik zu Kommissar Bellamy

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Der erste Chabrol-Film mit Gérard Depardieu sollte eine Art Porträt des Stars werden, aber etwas Eigenes wollte der Regisseur auch unterbringen. Ein Suchbild mit vielen Facetten, nicht nur für Maigret-Fans

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Chabrol hat sich schon immer einen Spaß daraus gemacht, seine Zuschauer auf eine falsche Fährte zu locken. Wer also hinter dem Titel eine echte Maupassant-Figur à la »Bel-Ami«, einen klassischen Aufsteiger, vermutet, muss auf eine Enttäuschung gefasst sein. Mit ziemlicher Sicherheit lässt sich nur sagen, dass der Pariser Kommissar Bellamy (Gérard Depardieu) mit seiner Methode, ein Verbrechen aufzuklären, in die Fußstapfen des Kommissars Maigret tritt. Ihm scheint es nämlich nicht in erster Linie darum zu gehen, den Mörder dingfest zu machen, sondern er will den »guten Samariter« spielen und die Beweggründe des mutmaßlichen Täters herausfinden. Dieses eher menschlich als kriminalistisch gepolte Interesse verleitet Chabrols Kommissar Bellamy auch dieses Mal dazu, seinen Urlaub im sonnigen Süden kurzerhand an den Nagel zu hängen und sich stattdessen – wegen eines Mords mit Versicherungsbetrug – auf Spurensuche zu begeben.

Ein Hauch von Urlaubsstimmung liegt noch über dem im Sessel eingenickten Bellamy, der es sich vor dem Fernseher mit einem Kreuzworträtsel gemütlich gemacht hat, wo er als Erstes dann das gesuchte Wort »Glück« einträgt und damit schon das Schlüsselwort des Films preisgibt. Die Fernsehnachrichten liefern kurz darauf die Antwort auf die Filmbilder aus dem Vorspann. Der neugierige Kamerablick Eduardo Serras wanderte ja nicht zufällig vom Grab des Balladensängers Georges Brassens auf dem Friedhof von Sète zur Steilküste und von da zum ausgebrannten Auto mit dem verkohlten Fahrer, dessen Kopf abgetrennt daneben liegt. »Der Tote sei ein anderer«, tönt es noch aus der Flimmerkiste – und schon klingelt es an der Tür, und ein Fremder fragt nach Kommissar Bellamy.

Es dauert nicht lange, bis der Fremde (Jacques Gamblin), den Bellamys Frau schon öfter ums Haus hat schleichen sehen, einen Mord gestanden hat, um die Versicherungssumme einzustreichen. Der Grund: eine Amour fou mit geplanter Flucht nach Südamerika. Schnee von gestern. Aber warum ein Geständnis unter falschem Namen, was der Bulle gleich durchschaut, und warum klingt das Geständnis so wenig überzeugend? Und warum sieht dieser Noël Gentil dem Mann auf dem Foto eigentlich so ähnlich? Was wiederum nur Bellamys Frau Françoise (Marie Bunel) auffällt die ganz andere Träume als ihr Angetrauter hegt und von Anfang an von einer Kreuzfahrt schwärmt. Bellamy hat schleunigst nicht nur die (ihm nicht zustehende) Ermittler-, sondern auch die Erzählerrolle übernommen und lenkt das Filmgeschehen nun so, dass die Zuschauer immer weniger wissen als er. So entstehen die berüchtigten Chabrolschen Ellipsen, die den Suspense vorantreiben und eine Irritation nach der andern verursachen. »Die Durchquerung der Trugbilder« schlägt der Regisseur selbst als Untertitel für seinen Film vor und verurteilt den Zuschauer zur trägen Manövriermasse. Die Quintessenz: Es handelt sich bei dieser vertrackten Geschichte, die Jacques Gamblin in gleich drei Rollen als genialen Verwandlungskünstler vorführt, um einen echten Fall von Versicherungsbetrug, während die restlichen, vergleichsweise harmlosen Zutaten der Filmerzählung hinzufantasiert sind.

Um das Verwirrspiel zu erhöhen, hat Chabrol noch ein Plätzchen für das private Drama des Kommissars reserviert und ihm einen missratenen jüngeren Stiefbruder zur Seite gestellt, der dem Glückspilz Bellamy immer wieder in die Parade fährt, aber auch verborgene Seiten des Kommissars aufdeckt. Das unberechenbare Glück wird auch in den von Anfang an eingestreuten Brassensliedern besungen, sogar ein à la Brassens singender Verteidiger tritt bei der Gerichtsverhandlung auf. Ein Film wie eine unendliche Geschichte, die sich nur durch den geschickten Eingriff des Erzählers rundet.

Es gehe um das Sichtbare und das Unsichtbare, philosophiert der Regisseur, und mag sich mit seiner Pfeife in der Hand zurücklehnen. Nicht Maigret, auch nicht Bellamy, sondern Chabrol hat hier letztlich das Sagen, und er tut es als Philosoph mit Verständnis für die Träume, die hier als energetische Antriebsquellen des Seins zutage treten, und mit einem Hauptdarsteller, der als Ehemann, Bruder und sogar als Kommissar ganz bei sich selbst ist.

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