Kritik zu König Otto

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Zur Fußball-EM 2020 (die in diesen Tagen ausgetragen wird) rekonstruiert Christopher André Marks den Überraschungssieg der Griechen bei der EM 2004

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Mit den Griechen und dem Fußball ist es so wie mit den Jamaikanern und dem Wintersport: Es ist schwierig, immer auf hohem Niveau zu bleiben. Aber den Außenseitern gehören unsere Sympathien, im Sport – und im Kino. Die Underdogs siegen zu sehen, das gehört zu den großen Momenten im Sport, und die Überraschungsteams sind das Salz in der Suppe bei den großen internationalen Turnieren. Sagen wir mal: dass Kamerun bei der WM 1990 den amtierenden Weltmeister Argentinien geschlagen hat. Und noch heute gehört der EM-Sieg des griechischen Teams 2004 zu den großen Sensationen der Fußballgeschichte.

Zuvor hatten die Griechen zwar an der EM 1980 und der WM 1994 teilgenommen, waren aber immer schon in der Gruppenphase gescheitert. Warum das bei der Europameisterschaft 2004 ganz anders gelaufen ist, dem geht der griechisch-amerikanische Filmemacher Christopher André Marks in seinem Dokumentarfilm »König Otto« nach. Nicht nur Fußballbegeisterte wissen, dass damit der damalige deutsche Trainer der Griechen, Otto Rehhagel, gemeint ist und der Titel wiederum als Anspielung auf den ersten Regenten des modernen Griechenlands, Otto von Wittelsbach, funktioniert. Wichtigster Bestandteil des Films von Marks sind aktuelle Interviews mit Rehhagel und einigen Spielern der Europameisterschaft – und jede Menge Archivmaterial.

Der Film folgt einer einfachen Struktur: die Vorgeschichte und dann Spiel für Spiel. Schlicht, aber trotzdem bewegend – wenn sich die Doku musikalisch auch etwas zu sehr im Pathetischen vergreift. Fußball gehörte vor der EM nicht zu den beliebten Sportarten der Hellenen, aber im Laufe des Turniers kam es zu so etwas wie Nationalstolz darüber. Weshalb in dem Film auch viel von der griechischen Mentalität die Rede ist. Man spürt auch heute noch eine gewisse Distanz zwischen den Spielern und ihrem Trainer, der 2001 die Mannschaft übernahm, aber kein Griechisch sprach und auf den Pressekonferenzen auf Deutsch antwortete. Die Übersetzung übernahm sein zweisprachiger Assistent Ioannis Topalidis.

Auch Rehhagels Strategie war keine fußballerische Offenbarung, sehr defensiv, aber zweikampfstark, auf Konter lauernd. Und irgendwie auch destruktiv: den Gegner nicht ins Spiel kommen lassen. Kontrollierte Offensive nannte er das. Beim Viertelfinalspiel gegen Frankreich zeigen Aufnahmen, wie der griechische Verteidiger förmlich am Körper des damaligen Superstars Thierry Henry klebt. Der nach der Niederlage ziemlich angefressen ist. Nach dem griechischen Sieg über den Gastgeber Portugal wird auch Cristiano Ronaldo weinen und ganz Griechenland in einen Taumel verfallen.

Am Ende gehen Otto Rehagel und Ioannis Topalidis noch einmal durch das Panathinaiko-Stadion in Athen, die Rekonstruktion des ursprünglichen antiken Stadions, wo 2004 die Siegesfeier des griechischen Teams zelebriert wurde und das einem Hexenkessel glich. Als sie rausgehen, sagt Rehhagel: »Es war ein Rausch.« Und Topalidis: »Du bist König Otto, und ich bin der Assistent.«

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