Kritik zu Invasion

© Neue Visionen

Burghart Klaußner in einem raffiniert-beklemmenden Kammerspiel über eine allmähliche Überrumpelung

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Der Titel weckt Assoziationen zu Alien-Attacken oder militärischen Operationen, gemeint ist aber eine andere Art der Eroberung: ein schleichender Prozess der Überwältigung. In den 80ern kultivierten amerikanische Psychothriller dieses Sujet; sie erzählten von finsteren Mentoren, die das Territorium der Protagonisten fast unmerklich besetzten und dann unversehens zu »Todfreunden« avancierten. In Invasion greift Regisseur Dito Tsintsadze diesen Topos auf und kombiniert ihn mit dem stillen existenzialistischen Horror des frühen Polanski. So entsteht ein leises, ziemlich abstraktes Psychodrama, das einen erstaunlichen Sog entwickelt.

Josef (Burghart Klaußner), ein Mann von knapp sechzig Jahren, hat Frau und Kind verloren. Er wirkt müde und zerzaust, achtet nicht mehr auf sich. Er wohnt in einer riesigen Villa, die so aussieht, als stehe sie schon lange leer. Die Möbel sind verpackt oder abgedeckt, die Fenster verriegelt. Kein Zweifel: Vitalität und Lebensmut sind aus Josefs Existenz gewichen. Eines Tages spricht ihn eine Frau an: Nina (Heike Trinker), die fast vergessene Cousine von Josefs Frau. Die beiden freunden sich an, sie stellt ihm ihren erwachsenen Sohn Simon (David Imper) vor, dann dessen Frau Milena (Anna Wappel). Als Josef hört, dass das junge Paar eine Bleibe sucht, nimmt er sie nur zu gern auf: Mit ihnen kommt Leben in die Bude, endlich gibt es einen Grund, wieder Licht und Luft in das antike Gemäuer zu lassen.

Seltsam ort- und zeitlos legt Tsintsadze seine Geschichte an, nichts Konkretes soll den Blick verstellen auf das Eigentliche, auf die psychologische Entwicklung. Wir erfahren nicht, wie Josef sein Leben finanziert, welchen Beruf er hat (oder hatte), wo die Geschichte spielt. Es gibt keine Nachbarn oder andere Nebenfiguren, kaum Verbindungen zur »wirklichen Welt« – nur dieses wachsende Ensemble, die fortschreitende Überrumpelung, von der man nie weiß, ob sie einem Plan folgt, einer irgendwie gearteten Strategie. Oder ob man sie sich vielleicht doch nur einbildet.

Als Nächster taucht Konstantin auf (Merab Ninidze), Ninas ebenso jovialer wie zwielichtiger Freund. Dann der kleine Marco (Jasper Barwasser), Milenas Sohn aus einer früheren Beziehung. Mit den beiden treten auch die ersten Konflikte auf: Geht Simon nicht viel zu streng mit seinem Ziehsohn um? Quartiert sich Konstantin nicht etwas zu selbstverständlich in Josefs Arbeitszimmer ein? Ehe Josef sich versieht, entgleitet ihm die Kontrolle. Aus dem großzügigen Gastgeber wird allmählich ein düpierter Narr, dem die Gäste mehr und mehr auf der Nase herumtanzen.

Invasion erzählt die Geschichte einer klammheimlichen Eskalation. Immer weiter wächst die Spannung zwischen den Figuren, es entstehen neue Allianzen, erotische Irritationen, und irgendwann sucht sich der aufgestaute Druck ein Ventil. Tsintsadze ist ein großartiger Schauspielerregisseur, der es versteht, seine Akteure sehr reduziert und subtil agieren zu lassen, was ungemein zur ambivalenten Rätselhaftigkeit des Gezeigten beiträgt. Im Zentrum glänzt Burghart Klaußner mit wunderbarer Unaufdringlichkeit: Er macht spürbar, wohin es führt, wenn man sich auf einen Tanz mit dem Teufel einlässt.

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