Kritik zu Georg Baselitz

© Alamode

2013
Original-Titel: 
Georg Baselitz
Filmstart in Deutschland: 
11.04.2013
L: 
105 Min
FSK: 
keine Beschränkung

Evelyn Schels Hommage zum 75. Geburtstag von Baselitz gewährt einen ungewohnt intimen und wahrhaftigen Blick hinter die Kulissen der Kunstproduktion

Bewertung: 3
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Alles was ich gemacht habe, habe ich sehr heftig gemacht, das Gute wie dasSchlechte «, sagt Georg Baselitz und wirkt dabei ausgesprochen milde und entspannt. Wenn er in seinem riesigen Atelierraum die auf dem Boden liegenden Leinwände bearbeitet, Farbe aufpinselt, abtupft, abschabt und wieder neu aufträgt und zum schnelleren Trocken eine kleine Ventilatorenarmee anwirft, dann wirkt er selbstvergessen und ruhig, jedenfalls nicht so, als würde er durch eine zudringliche Kamera gestört. Man spürt, dass Evelyn Schels keine fremde, zudringliche Regisseurin ist, sondern eine vertraute Freundin des Hauses, mit der Baselitz und seine Frau Elke offen und ungezwungen plaudern.

Über drei Jahre hinweg hat sie den Künstler immer wieder in seinen Ateliers am bayerischen Ammersee und in Italien besucht und bei den Vorbereitungen und Eröffnungen von Ausstellungen, im Pariser Musée d’Art Moderne und in den Galerien von Thaddaeus Ropac und Larry Gagosian in Salzburg und New York begleitet.Während die Galeristen, zu denen auch der deutsche Michael Werner gehört, Baselitz in knappen Aussagen künstlerisch einordnen, liefert seine Frau Elke, mit der ihn viele gemeinsame Jahrzehnte verbinden, den menschlichen Hintergrund, ein Gefühl dafür, wie er lebt, wer er ist und was diesen Künstler-Berserker bis heute antreibt und inspiriert.

Die unaufgeregte Intimität dieser Begegnungen prägt die Künstlerdokumentation so sehr, dass sich auch die Lebenschronologie fast beiläufig ergibt. Statt sich konsequent an präzisen Daten abzuarbeiten, reiht Schels eher prägende und symptomatische Ereignisse locker aneinander: Die Kindheit am Ende des Krieges und in den Trümmerjahren danach, die immer wieder durch sein Werk rumort. Die unversöhnliche »Renitenz«, die ihn schon zu DDR-Zeiten anecken ließ und dazu führte, dass er nach zwei Semestern »wegen gesellschaftspolitischer Unreife« von der Kunstschule flog und 1958 nach Westberlin übersiedelte. Anfang der 60er Jahre gab es auch im Westen einen Eklat um zwei Werke, die wegen Obszönität konfisziert wurden. Ende der 60er Jahre schließlich die ersten auf den Kopf gestellten Motive, mit denen sich der Maler von der darstellenden Gegenständlichkeit emanzipiert. 1980 der Beginn des Weltruhms, mit einer brachialen Skulptur im deutschen Pavillon der Biennale in Venedig: Statt grobe Striche mit dem Pinsel auf die Leinwand zu setzen, rammt er jetzt die Kettensäge in schwere Holzstämme.

Immer wieder reflektiert der Künstler, der seine Materialien so ungestüm bearbeitet, seine Arbeit: Ja, er folge dem Prinzip der Disharmonie, erklärt er da, mit den viel zu großen Füßen, hässlichen Nasen und triefenden Augen. Umso überraschter sei er, dass sich dann doch immer wieder eine Harmonie einstelle. Auch von diesem Widerspruch erzählt der Film, der als TV-Produktion entstanden ist und ein paar Wochen nach dem 75. Geburtstag auf diskrete Weise als Hommage funktioniert.

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