Kritik zu Gaza Surf Club

© Farbfilm Verleih

Gefährliche Brandung: In ihrer stark fotografierten Surferdoku zeigen Philip Gnadt und Mickey Yamine, wie junge Palästinenser im Gazastreifen dem Alltag trotzen

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Während des Krieges, erzählt ein Fischer in mittleren Jahren, habe er mehr Angst um sein Surfbrett gehabt als um seine Kinder. Kinder könne man ersetzen, ein Surfbrett dagegen nicht. Natürlich ist dabei ein wenig Augenzwinkern im Spiel – oder etwa nicht? Immer wieder betont der Mann, wie hoffnungslos das Leben im Gazastreifen sei, wie begrenzt die Möglichkeiten, wie deprimierend die Isolation. Kann da ein Surfbrett nicht tatsächlich zum wertvollen Objekt werden, zum letzten Symbol für Freiheit und Würde?

Der Gazastreifen, eingezwängt zwischen Israel, Ägypten und dem Mittelmeer, ist kleiner als das ehemalige Westberlin, ähnlich dicht besiedelt und genauso abgeschottet. Seine wechselhafte, von Krieg und Chaos geprägte Geschichte verdichten die Dokumentarfilmer Philip Gnadt und Mickey ­Yamine eingangs zu einer bedrohlichen, aber auch poetischen Montage: Während im Off internationale Medienberichte bruchstückhaft aneinandergereiht werden, schlagen am Strand monumentale Wellen in Zeitlupe auf, als seien es die Detonationen der endlosen Bombardements. Gefahr und Schönheit, Gewalt und Irrsinn, Natur und Trümmer: Alles gehört untrennbar zusammen an diesem einzigartigen Ort, über den wir trotz kontinuierlicher Nachrichtenpräsenz herzlich wenig wissen. Gnadt und Yamine nähern sich ihm über ein Spezialthema, die Surfleidenschaft einiger junger Männer. Der 23-jährige Tischler Ibrahim und seine Freunde verbringen jede freie Minute auf ihren kostbaren Brettern, sie träumen davon, ihren Sport zu institutionalisieren, einen Verband zu gründen, ein Klubhaus zu bauen, vielleicht gar einen Shop zu eröffnen. Doch die Realität sieht anders aus: Bretter dürfen nicht importiert werden, an Unterstützung ist nicht zu denken. Ibrahim skypt deshalb regelmäßig mit einem US-amerikanischen Surferfreund auf Hawaii, bei dem er ein Praktikum machen will, sobald er endlich ein Visum bekommt.

Es gibt auch ein paar echte Surfszenen in »Gaza Surf Club«, sie gehören jedoch zu den weniger spektakulären Bildern des Films. Gnadt und Yamine nutzen das Hobby ihrer Protagonisten nur als Aufhänger, um sich einem schweren Sujet auf leichtfüßige Art zu nähern. Immer wieder nehmen sie sich viel Zeit, um in grandios komponierten Widescreen-Bildern die in fahles Beige getauchten Städte und Strände abzubilden und so diesem kaputten Ort seine eigenartige Schönheit zu entlocken. Sie maßen sich dabei nicht an, alles erklären zu wollen, und verzichten deshalb auch auf ein Voice-over. Man weiß nach dem Sehen dieses Films nicht »alles« über den Gazastreifen, aber man versteht seine absurde Wirklichkeit ein wenig besser.

Dazu gehört auch die traurige Rolle der Frauen. Sabah, 15, war immer eine großartige Schwimmerin und Surferin, doch als junger Frau sind ihr solche Aktivitäten untersagt. Mit sichtbarem Schmerz berichtet sie von dieser Ungerechtigkeit – und verschwindet danach wieder in der Küche. Einmal äußern sich auch die Männer über diese Regel. Das sei eben in ihrer Kultur so, konstatieren sie unbeeindruckt – und widmen sich wieder ihrem Strandvergnügen.

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