Kritik zu Fassbinder

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Annekatrin Hendel (Vaterlandsverräter, Anderson) versucht zum 70. Geburtstag des 1982 verstorbenen Filmregisseurs die dokumentarische Annäherung an das Leben und die Dynamik von Fassbinder und seiner Truppe

Bewertung: 3
Leserbewertung
3.75
3.8 (Stimmen: 4)

Am 31. Mai wäre er 70 geworden – sich einen 70-jährigen Fassbinder vorzustellen, fällt allerdings ebenso schwer wie einen ebenso alten James Dean, zu sehr ist beider Leben und Werk mit junger Unrast verbunden. Die Produktivität des 1982 im Alter von erst 37 Jahren verstorbenen Fassbinder steht außer Frage, sie überschattet die Filme selber, von denen es nicht selten heißt, sie seien eher in ihrer Summe relevant. Auf DVD sind sie heute fast alle verfügbar, aber werden sie auch gesehen? Es ist »ein Werk, vom Leben verdeckt«, wie Thomas Elsaesser die Einleitung seiner Fassbinder-Monografie überschrieb. Das trifft auch auf diesen Dokumentarfilm zu, der in gewisser Weise eine Autobiografie Fassbinders bietet. Der Regisseur kommt in einigen kurzen Ausschnitten aus zeitgenössischen Interviews und vielen Offtönen auch selber zu Wort. Die Idee stammt von Fassbinders Nachlassverwalterin Juliane Lorenz, die auch eine von zwölf GesprächspartnerInnen im Film ist. Deren Statements sind unterschiedlich lang und unterschiedlich ergiebig, so erzählt Günter Rohrbach noch einmal, wie Fassbinder zum ersten Mal in sein Büro kam und nach einem Whisky verlangte – da hätte man Substanzielleres erwarten können, etwa was die Geldvergabe durch den WDR anbelangte oder die späteren Auseinandersetzungen bei der Fernsehserie Acht Stunden sind kein Tag. Von anderen Gesprächspartnern allerdings, besonders Margit Carstensen und Harry Baer, bekommt die Filmemacherin Annekatrin Hendel tiefergehende und intimere Aussagen, die auf ausführlichere, vertrauensbildende Vorgespräche schließen lassen.

Fassbinder, chronologisch aufgebaut, ist ein Film über die Person Fassbinder, nicht über seine Filme – im Mittelpunkt stehen seine Truppe, zu deren »Motor« (Harry Baer) er sich schnell entwickelte, und die gruppendynamischen Prozesse, die dort abliefen und die sich in den Filmen widerspiegeln. Darauf wird, gerade anhand von Warnung vor einer heiligen Nutte und Die bitteren Tränen der Petra von Kant wiederholt verwiesen, zum Ende hin verwendet der Film Szenen aus den Filmen, um damit Fassbinders Leben zu illustrieren, etwa das tragische Ende seiner Beziehung zu Armin Meier. Das wirkt dann doch wie eine verkürzte Interpretation der Äußerung von Fassbinder: »Was ich bin, sind meine Filme« (so auch der Titel eines frühen Buches über ihn). Nicht zuletzt mit Outtakes aus den frühen Filmen (zu denen Hanna Schygulla an einer Stelle eine interessante Information liefert) und der Animation von ersten überlieferten künstlerischen Versuchen während seiner Internatszeit ist Fassbinder durchaus informativ, betritt aber kaum Neuland. Er ist gewissermaßen die »offizielle« Würdigung, die vier bzw. sechs Wochen nach dem Kinostart bereits im Fernsehen ausgestrahlt wird. Allerdings wäre es schade, wenn dieser Film Christian Braad Thomsens auf der Berlinale erstaufgeführten Fassbinder – Lieben ohne zu fordern aus der breiten Wahrnehmung verdrängen würde.

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