Kritik zu A fábrica de nada

OmU © Grandfilm

Am Beispiel einer portugiesischen Aufzugfabrik beschreibt Pedro Pinho Globalisierung und kapitalistische Ausbeutung. Und zwar in Form eines überlangen Film­ungetüms, in dem gekämpft, diskutiert, geschwurbelt und sogar gesungen wird

Bewertung: 3
Leserbewertung
0
Noch keine Bewertungen vorhanden

Die Zeiten sind schlecht fürs produzierende Gewerbe, in Portugal ebenso wie anderswo. Wo früher der Metallbau florierte, stehen heute oft die Maschinen still – vorausgesetzt, sie sind überhaupt noch da. »A fábrica de nada« beginnt damit, dass die Kollegen einer Aufzugfabrik am Rande von Lissabon verzweifelt versuchen, den vermeintlichen Diebstahl ihrer Arbeitsmittel zu verhindern. Einen Schweißroboter können sie sicherstellen, aber eigentlich ist nicht mehr viel zu retten: Wie sich zeigen wird, steckt die Geschäftsführung hinter der Nacht-und-Nebel-Aktion; die Arbeit soll verlagert, das Werk abgewickelt werden.

Es dauert eine Weile, bis sich dem Zuschauer die Zusammenhänge dieser »Geschichte« erschließen, denn Regisseur Pedro Pinho pfeift in seinem ersten langen Spielfilm auf die klassische Narration. Eher setzt er auf kryptische Vignetten, auf Andeutungen, Miniaturen und irritierende Exkurse, um so nach und nach ein vielschichtiges Bild der Auswirkungen von Globalisierung und Strukturwandel zu zeichnen. Da steht sachlicher Realismus neben endlosen Debatten über Sinn und Unsinn von Streik, Besetzung, Aufgabe; da theoretisieren unterschiedliche Offsprecher über Hintergründe und Zusammenhänge kapitalistischer Ausbeutung und neoliberaler Philosophie; da drängt ein italienischer Dokumentarfilmer, der vom italienischen Dokumentarfilmer Daniele Incaltera gespielt wird, als rätselhafte ­Metafigur ins Geschehen; und am Ende mündet das Ganze unvermittelt in eine Reihe von Musicalnummern, die vielleicht ironisch gemeint sind, vielleicht aber auch nicht.

So entsteht ein wahres Ungetüm von einem Film, 177 sperrige Minuten voller Diskurs und Diskussion, voller Pathos und Politik. Pinho wirft alles hinein: die Nüchternheit von Ken Loach, Godards verschwurbelte Intellektualität, scharfsinnige Marx'sche Analysen, den hohen Anspruch von Brechts epischem Theater. Zwar schält sich mit dem Arbeiter José (José Smith Vargas) und seiner Frau Carla (Carla Galvão) ein Paar heraus, das der Film auch in seiner privaten Welt zwischen Leidenschaft und Konflikt, zwischen Punkmusik und Kindererziehung beschreibt. Im Grunde aber ist »A fábrica de nada« ein Film ohne Protagonisten, eine Story ohne Zentrum. Für Pinho ist das Kollektiv der Star. Und das gilt nicht nur für die Figuren, für die in ständig neuen Kon­stellationen zusammentreffenden Kollegen, die deprimierende Abfindungsangebote erhalten, leidenschaftlich über Perspektiven und Optionen streiten und verzweifelt gegen Langeweile und Sinnlosigkeit ankämpfen. Es gilt auch für die stilistischen Formen, die gleichberechtigt nebeneinanderstehen und dem Film den Charakter einer Wundertüte verleihen. Wie kühn, frech und selbstverständlich Pinho mit all den Brechungen, Zumutungen und Abschweifungen umgeht, das verdient fraglos Respekt. An Relevanz und Schärfe mangelt es dieser trotzigen Bestandsaufnahme nicht. Was fehlt, ist die Vision eines Auswegs. Mit Singen und Tanzen wird es jedenfalls nicht getan sein.

Meinung zum Thema

Kommentare

Der Ausweg, den die Kritik am Ende sucht. ist der Hinweis am Ende des Films, dass es diese Selbstverwaltung einer Fabrik in Portugal bereits Realität seit mehreren Jahren gibt.

Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns

Mit dieser Frage versuchen wir sicherzustellen, dass kein Computer dieses Formular abschickt