Kritik zu El viaje – Ein Musikfilm mit Rodrigo Gonzalez

© Mindjazz Pictures

2016
Original-Titel: 
El viaje – Ein Musikfilm mit Rodrigo Gonzalez
Filmstart in Deutschland: 
11.08.2016
L: 
95 Min
FSK: 
6

Eine Dokumentation um den musikalischen Migrationshintergrund des Bassisten der Band »Die Ärzte«, die zugleich ins aktuelle chilenische Politikengagement führt

Bewertung: 3
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Das Charango ist eine ursprünglich aus dem Panzer des Gürteltiers verfertigte kleine Gitarre. Im Nach-Putsch-Chile des Oktober 1973 wurde es vom Militärregime verboten – nicht aus Tierschutzgründen, sondern weil die gespielte Musik eng mit Salvador Allendes Unidad Popular und dem Widerstand verbunden war. Einer der damals ins Exil gegangenen Protagonisten des »Nueva Cancion Chilena« war Cesar Gonzales, der im Hamburger Exil bis heute die exilchilenische musikalische Tradition fortsetzt. Auch sein zwischen Victor-Jara-Postern und Solidaritätsdemos sozialisierter Sohn wurde Musiker: Seit 1993 zupft Rodrigo Gonzalez beim Punk-Urgestein »Die Ärzte« die Basssaiten. Geboren wurde er 1968 in Valparaíso. Und oft schon wurde er von Freunden dazu gedrängt, die Erinnerungen und Eindrücke dieser Hamburger Kindheit einmal mit der chilenischen Realität kurzzuschließen. Nun – im Alter von fast 50 Jahren – ist er endlich bereit und landet, so erzählt es jedenfalls der Film, nach seiner Ankunft in Santiago erst einmal bei dem befreundeten Musikerkollegen Aldo Asenjo »Macha«, der mit seiner Band klassische Volkstänze neu interpretiert.

Da probt die Truppe gerade in einem Garten über der Stadt. Später trifft Rod überlebende Legenden der Nueva Cancion Chilena ebenso wie erfolgreiche junge Musiker, die sich auf diese Tradition beziehen wie Camila Moreno, die Violeta Parra wegen ihrer »punkigen Stimme« schätzt. »Quilapayún«-Mitgründer Eduardo Carasco schrieb einst die Musik zu der Song-Ikone »El pueblo unido«. Nach fünfzehn Jahren Exil in Frankreich lehrt er heute Hegel und Nietzsche an der Universität, musiziert aber immer noch.

Reiseführer R. G. gibt sich angenehm bescheiden, nur in seinem Kommentar etwas wortüberschüssig (»Ich war gespannt...«). Dabei ist er weniger musikhistorisch interessiert als sentimental. Und ganz praktisch, denn mit jedem der Protagonisten spielt er im Studio auch gleich einen Song ein. Zusätzlich und vor allem aber gewinnt »El viaje« zunehmend politische Dimensionen, denn die chilenischen Liedermacher selbst sind längst Protagonisten einer neuen sozialen Bewegung, die den Film am Ende zu den Mapuche-Indios am Lleu-Lleu-See und ihrem Kampf um Wasser und Landrechte führt. 

So gibt »El viaje« eine inhaltsreiche und sinnig abgerundete, allerdings zu diesem Zweck auch reichlich zurechtgestutzte Erzählung. Denn schon wenn der Kommentar suggeriert, R. G. würde zum ersten Mal seit seiner Kindheit zurück auf den Kontinent reisen, ist dies sichtlich falsch: Ein kurzer Blick in Gonzalez' Bio zeigt, dass er in den letzten Jahren mehrfach zu musikalischen Projekten in Chile und Argentinien weilte, was ganze Erzählstrecken des Films obsolet macht. Solche Kunstgriffe des mit Gonzalez seit Kindertagen befreundeten Regisseurs eingepreist, ist »El viaje« eine gelungene Rundreise in eine beneidenswert lebendige Musiklandschaft. Bedenklich sind aber Untertitel, die einen im Film so zentralen Begriff wie den der »musica popular« gänzlich sinnentstellend als »Popmusik« übersetzen.

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