Kritik zu Die Mühle und das Kreuz

© Neue Visionen

Ein Gemälde wird verfilmt: Der polnische Regisseur Lech Majewski, der das Drehbuch für Julian Schnabels Basquiat schrieb, übersetzt – und interpretiert – Pieter Bruegels »Kreuztragung Christi« für die Kinoleinwand

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Wer in Wien im Kunsthistorischen Museum die Gemäldegalerie besucht, steht irgendwann auch vor dem Werk eines flämischen Meisters: »Die Kreuztragung Christi« wurde 1564 von Pieter Bruegel dem Älteren im Auftrag eines Kunstmäzens aus Antwerpen angefertigt. Darauf sind zahlreiche Protagonisten in einem hügeligen Landstrich abgebildet. In der Ferne strebt ein grober Fels mit einer Mühle auf seiner Spitze in den Himmel, an dem sich Wolken vor hellem Blau bis bedrohlichem Grau ballen. Nach und nach erschließen sich auf diesem »Wimmelbild« Motive einer weitläufig angelegten Passionsgeschichte Passionsgeschichte, die in die Landschaft Flanderns im 16. Jahrhundert eingebettet ist, zu Zeiten spanischer Herrschaft und Inquisition. In der Bildmitte, auf den ersten Blick kaum auszumachen, ist die Kreuztragung Christi zu sehen; darum gruppieren sich bewaffnete Männer in hellrotem Uniformrock auf Pferden und eine Schar Frauen und Männer in bäuerlicher Tracht, von denen ein Teil zum Schauplatz der Hinrichtung aufgebrochen ist. Im Vordergrund betrauert Maria im Kreis einiger Vertrauter ihren Sohn.

Der Spielfilm des polnischen Regisseurs Lech Majewski haucht dieser opulenten Leinwandszenerie aus dem Museum Leben ein, ausgehend von der Bildanalyse des Kunsthistorikers Michael Francis Gibson (»The Mill and the Cross: Peter Bruegel’s ›Way to Calvary‹ «). Majewski macht den Zuschauer zum Komplizen des Geschehens, indem er die Genese des Bildes ereignisreich anhand einiger seiner Figuren verdichtet. Als Erzähler fungiert der Schöpfer des Werkes, Pieter Bruegel (Rutger Hauer), der – im Zwiegespräch mit seinem Auftraggeber (Michael York) – mit dem Skizzenbuch durch seine Heimat vagabundiert: Er ist auf der Suche nach Bildmotiven und arbeitet »wie die Spinne, die ich heute Morgen sah, als sie ihr Netz spann«.

Dieserart entsteht ein filmisches Tableau, in dem einzelne Figuren des Gemäldes auf beiläufige Weise, fast märchenhaft, wachgeküsst werden: Kinder räkeln und balgen sich frühmorgens in ihren Betten; Mägde und Burschen gehen ihrer Arbeit nach oder haben Muße für ein Stelldichein. Besorgt hält dagegen die Jungfrau Maria (Charlotte Rampling) Ausschau nach ihrem Sohn. Ein Bauer, der friedvoll mit seiner Frau den Tag begann, wird auf dem Weg in die Stadt bei einer Rast von den Schergen in roter Uniform zusammengeschlagen. Seine Frau muss hilflos mit ansehen, wie er an ein Wagenrad gebunden und weggeschleift wird. Über den Alltag der einfachen Leute auf dem Hof, dem Feld oder in der Stadt und die versprengten grausamen Momente, die in den Kreuzweg münden, wacht stoisch der Müller. Er blickt nach einem langen Aufstieg zum Dach der Windmühle, der vom Echo seiner Schritte begleitet wurde, auf das Treiben am Boden herab; nur er kann ihm Einhalt gebieten.

Mit hohem technischem Aufwand, akribisch in Kostüm-, Setdesign und Ton, entwickelt Majewski eine emphatische Erzählform und Bildsprache, die an ein Gemälde heranzuführen vermag, das sich bei einem Besuch im Kunsthistorischen Museum so nicht erschließt.

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