Kritik zu Die Migrantigen

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Integration für Fortgeschrittene: In Arman T. Riahis Satire geben sich zwei junge Österreicher als Kleinkriminelle mit Migrationshintergrund aus

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Am Ende von Arman T. Riahis frecher und sehr unterhaltsamer Komödie stehen eine Menge Fragezeichen. Gäbe es überhaupt ein Problem, wenn sich die Medien gar nicht erst eingemischt hätten? Wäre das Leben im fiktiven Wiener Multikulti-Vorstadtkiez nicht ein friedlich-kunterbuntes Mit- und Nebeneinander, das eigentlich ganz gut funktioniert? Welcher nennenswerte Sender würde tagelang zur besten Sendezeit eine ziemlich sensationslose Lokalberichterstattung machen? Wäre dafür nicht eher das Internet zuständig?

Man könnte noch eine Weile so weiterfragen, denn Riahi, selbst Österreicher mit iranischem Hintergrund, treibt das Spiel mit der Überspitzung ganz schön weit. Seine Storykonstruktion hält keiner Glaubwürdigkeitsprüfung stand, dafür steckt einfach zu wenig Realität in dieser »Migrationssatire«. Kann man heutzutage, um noch eine letzte Frage zu stellen, tatsächlich 98 Minuten über Ausländer erzählen, ohne den Islam auch nur zu erwähnen? Immerhin aber gelingt es dem respektlosen Schelmenstück, gesellschaftliche Rollenbilder und Klischees kräftig durcheinanderzuwirbeln und daraus amüsantes Kapital zu schlagen.

Im Zentrum stehen zwei junge Männer, Benny (Faris Rahoma) und Marko (Aleksan­dar Petrović), die eigentlich ganz andere Sorgen haben. Der eine wird als Schauspieler auf sein südländisches Äußeres reduziert, der andere droht mit seiner Werbeagentur baden zu gehen. Sie haben also nicht viel zu verlieren, als die TV-Journalistin Marlene Weizenhuber (Doris Schretzmayer) sie für Bewohner des Ausländerviertels hält und nach ihrem Alltag befragt. Spontan geben sich die beiden Hipster als Gangster aus – und verwandeln das Dokuformat klammheimlich in »Scripted Reality«: Um als »echte Migranten« durchzugehen, müssen sie lernen, was in den Gemüseläden, Wettbüros und Boxklubs der Nachbarschaft tatsächlich vor sich geht. Auf der Jagd nach der Quote werden sie dabei immer mutiger und erfinderischer, engagieren Freunde und Kollegen, um Nutten und Dealer zu verkörpern, errichten nach und nach ein schwindelerregendes Lügengerüst, das jeden Moment einzustürzen droht.

Die Moral des Films ist dabei gar nicht so einfach zu benennen – sie bewegt sich irgendwo zwischen »Zum Teufel mit den Vorurteilen«, »Lügen haben kurze Beine« und »Jeder hat seine Gründe«. Riahi hat ein gutes Gespür für Timing und große Kinobilder; besonders seine stilisierten Zeitlupen, die sich als visuelles Leitmotiv durch den Film ziehen, funktionieren grandios. Die raffiniert verwobene Geschichte, in der Eltern, Kollegen, Ehefrauen und eine wahre Legion von Nebenfiguren eine Rolle spielen, hat der Regiedebütant erstaunlich gut im Griff. Weniger prägnant ist dagegen die Schauspielerführung: Sie lässt uns häufig im Unklaren über Haltung, Befindlichkeit und Motivationen der Figuren. Schretzmayers Redakteurin etwa, die undankbarste, weil unglaubwürdigste Rolle des Films, lässt mit ihrem Dauerlächeln offen, ob sie von den Statements ihrer Interviewpartner begeistert ist oder deren kühne Aufschneiderei längst durchschaut hat.

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Jo, also des is super

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