Kritik zu Die Liebe in ungleichen Zeiten

© JIP Film

Ein junger Revolutionär steht im Kampf um die Unabhängigkeit der Insel Sansibar in einem Zwiespalt zwischen Liebe und Revolution

Bewertung: 3
Leserbewertung
5
5 (Stimmen: 1)

Sansibar, die »Insel mit dem klangvollsten Namen der Welt« (FAZ), etwas kleiner als Mallorca, ist seit jeher ein mythenbeladener Ort. Jahrhundertelang profitierten die verschiedensten Mächte vom natürlichen Reichtum der »Gewürzinsel« vor der Küste Tansanias, die auch als Drehkreuz des Sklavenhandels diente. Heute ist die multiethnische und multireligiöse Insel ein Hotspot des internationalen Tourismus. Der Film des tansanischen Regisseurs Amil Shivji spielt in der Zeit kurz vor dem Ende der britischen Kolonialherrschaft über die Insel, bevor Sansibar 1964 zu einem Teil des unabhängigen Tanganjikas, später Vereinigte Republik Tansania, wurde.

Im Mittelpunkt stehen der junge Denge (Gudrun Columbus Mwanyika) und seine Geliebte Yasmin (Ikhlas Gafur Vora). Denge ist ein kommunistischer Aktivist, ausgebildet in der Sowjetunion, der mit Flugblättern die Bevölkerung gegen die Briten aufzubringen sucht. Die indischstämmige Yasmin ist aus der arrangierten Ehe mit einem viel älteren arabischen Mann in das Haus ihrer Freundin Mwajuma (Siti Amina) geflohen, wo sie Denge kennenlernt. Der recht unbekümmerte Denge gerät alsbald in die Fänge der dilettantisch agierenden Sicherheitspolizei unter dem britischen Inspektor Wright (Nick Reding) und muss im Gefängnis Feldarbeit verrichten, von wo ihn Yasmin recht umstandslos am Ende befreien kann und sich seinem Kampf anschließt.

»Vuta N'Kuvute« – der Originaltitel bedeutet so viel wie Tauziehen und verweist auf Denges Zwiespalt zwischen Liebe und Revolution – basiert auf einem Roman des Kisuaheli-Schriftstellers Shafi Adam Shafi. Amil Shivji nennt seinen Film, eine internationale Koproduktion, die unter anderem von der Rosa-Luxemburg-Stiftung gefördert wurde, einen »poetischen Revolutionsfilm«. Oft verweilt die Kamera in langen Einstellungen auf den Gesichtern der beiden Hauptpersonen, die tiefe Blicke tauschen. Zeitlupen und sanfte Musik (Amin Bouhafa) unterstreichen den emotionalen Gehalt einzelner Szenen, verschleppen aber den Rhythmus der Erzählung. Nur aus Andeutungen kann man sich ein Bild der politischen und gesellschaftlichen Situation in der Hauptstadt Stone Town, heute UNESCO-Weltkulturerbe, zusammensetzen. Zwar sind dort die Klassen klar geschieden: hier die indisch-arabische Oberschicht, die mit den Briten kollaboriert, dort die größte Volksgruppe der unterprivilegierten afrikanischstämmigen Sansibari, der Denge angehört. Im Film reichlich eingesetzte Folklore erscheint als ein verbindendes Element dieser Gesellschaft.

Dennoch überzeugt der Film weder als Liebesfilm noch als Revolutionsdrama. Wenn rote Flugblätter auf das Paar he­rabschweben, droht er gar in Kitsch abzugleiten. Die Revolution scheint ohnehin vorwiegend das Projekt Denges und seiner Kameraden zu sein. Eine revolutionäre Stimmung in der Bevölkerung vermag der Film jedenfalls nicht glaubhaft zu machen. Tatsächlich kostete das Massaker, das 1964 auf die Unabhängigkeit von Großbritannien folgte, tausende Sansibari indischer und arabischer Herkunft das Leben.

Meinung zum Thema

Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns

Mit dieser Frage versuchen wir sicherzustellen, dass kein Computer dieses Formular abschickt