Kritik zu Crescendo – #makemusicnotwar

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Kann die Kraft der Musik tief sitzenden Hass und Ressentiments überwinden? Ein gemeinsames Konzert junger Musiker aus Palästina und Israel soll in Dror Zahavis Drama zumindest ein unüberhörbares Zeichen setzen

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Der 2019 verstorbene Artur Brauner brachte mit seiner Produktionsfirma CCC immer wieder Filme heraus, die die Erinnerung an den Holocaust wachhielten, stets aber auch zu Versöhnung und Verständigung aufriefen – für Brauner zeitlebens eine Herzensangelegenheit. Seine Tochter Alice hält dieses Erbe mit »Crescendo« nun weiter hoch, auch wenn der Konflikt, um den es hier geht, der zwischen Israel und den Palästinensern ist, und die Inspiration für die Geschichte offensichtlich von Daniel Barenboims West-Eastern Divan Orchestra stammt: Anlässlich einer Friedenskonferenz in Südtirol soll der berühmte deutsche Dirigent Eduard Sporck (Peter Simonischek) ein paritätisch besetztes Jugendorchester zusammenstellen und mit einem Konzert ein Zeichen für die Völkerverständigung setzen. Der zunächst widerstrebende Maestro macht sich nach einem Vorspiel junger Musiker in Tel Aviv und strenger Auswahl daran, aus der bunt zusammengewürfelten Truppe ein Team zu formen. Doch wie zu befürchten, sorgen Ressentiments zwischen den Volksgruppen für Unruhe. Obwohl die Proben im idyllischen Südtirol stattfinden, fernab vom Konfliktherd, kochen bald die Gefühle der jungen Menschen hoch.

Regisseur Dror Zahavi thematisierte bereits 2008 mit dem preisgekrönten Kinofilm »Alles für meinen Vater« den israelisch-palästinensischen Konflikt. In »Crescendo« findet er einige beklemmende Bilder für den Zustand zwischen Erstarrung und Eskalation. Ob Schikanen an den Checkpoints, die den Palästinensern bereits die Teilnahme am Vorspiel erschweren, oder die Schicksale jüdischer Großeltern, die den Holocaust überlebt haben, dann aber von Arabern ermordet wurden – in Bildern wie Erzählungen vermittelt der Film die Gefühlslagen beider Seiten recht eindrücklich.

Wegen der Konflikte in der Gruppe nehmen die Proben zwischenzeitig eher den Charakter einer Therapie an. Während Dirigent Sporck sich in einen Friedenscoach verwandelt, legen diese ausführlichen Szenen mit ihrer übermächtigen Didaktik zugleich das große Problem des Films offen: den Balanceakt zwischen bewegendem, humanistischem Drama und gut gemeintem Kitsch. Berührt der eine Moment mit Einfachheit und Authentizität, fegt im Folgenden ein papierner Dialog Atmosphäre und Glaubwürdigkeit hinweg.

Immerhin vermag die Romanze zwischen einem schüchternen Palästinenser und einer Israelin zu berühren, da sie von Mehdi Meskar und Eyan Pinkovich so einfühlsam gespielt wird. Auch einige weitere junge Schauspieler überzeugen, ganz besonders Sabrina Amali mit einer enorm kraftvollen Darstellung als junge Violinistin voller angestauter Wut. Peter Simonischek strahlt überzeugend die Ruhe und Autorität des Dirigenten aus, auch wenn das Drehbuch ihm eine schwere persönliche Last in Gestalt von mörderischen Nazieltern aufbürdet. Überkonstruiert wirkt auch eine dramatische Wendung gegen Ende. Die verhindert zwar ein glattes Happy End, verstärkt aber den Eindruck eines Drehbuchs, an dem zu viel herumgedoktert wurde.

Meinung zum Thema

Kommentare

ich fand an dem Film nichts Papierernes und Kitschiges, er war für mich eine authentisch wirkende Parabel auf die Unlösbarkeit des palästinensisch-israelischen Konflikts, sehr berührend. Schade, dass er offensichtlich nur in Programmkinos läuft.

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