Kritik zu Copa 71

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1971 fand in Mexiko die erste Frauenfußball-WM statt. Die FIFA wollte sie nie offiziell anerkennen. Rachel Ramsay und James Erskine erinnern in einer furiosen Dokumentation an ein zu Unrecht vergessenes Mega-Event

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Das Aztekenstadion in Mexiko-Stadt ist einer der geschichtsträchtigsten Austragungsorte für Fußballspiele überhaupt. Hier wurde die Fußball-WM 1970 durchgeführt, bei der Deutschland den Italienern in einem unvergessenen Halbfinale unterlag. Es war auch die erste WM, die in Farbe ausgestrahlt wurde. 1986 bemühte Diego Maradona in diesem architektonisch ­besonderen Fußballtempel in einem politisch aufgeladenen Match gegen England erst »die Hand Gottes«, um dann sein »Tor des Jahrhunderts« folgen zu lassen.

Schaut man in Chroniken dieses Stadions, so ist darin ein wahres Mega-Event nicht verzeichnet: Die Copa 71, die erste Fußball-Weltmeisterschaft der Frauen, wurde aus den Geschichtsbüchern ausradiert. Und das, obwohl dieses Medienereignis mit einer Fülle von Fernsehaufzeichnungen bestens dokumentiert ist. Im Rückgriff auf diese Archivmaterialien zeichnen Rachel Ramsay und James Erskine die faszinierende Geschichte dieses etwas anderen Fußballfestes nach.

Ein knapper Rückblick auf die Geschichte des Frauenfußballs im Mutterland dieses Sports, England, leitet den mitreißenden Film ein. Nachdem auf der Insel bereits 1917 in über hundert Clubs Frauen gegen den Ball traten, wurde den Vereinen ab 1921 der Ausschluss aus dem Verband angedroht, wenn sie weiterhin Spiele zwischen Frauen veranstalten würden. »Frauenfußball«, konnte man noch in den 1960ern in einer englischen Zeitung lesen, sei, als »würde man einem Hund zuschauen, der auf den Hinterbeinen läuft«.

Atemberaubende Bilder aus dem mit 110 000 jubelnden Menschen voll besetzten Aztekenstadion sprechen eine andere Sprache. Obwohl durchweg Amateure antraten, zeigten die Frauen auf dem Rasen einen athletischen, technisch anspruchsvollen Fußball. Bei der Rekonstruktion dieses Turniers lehnt sich der Film an die Dramaturgie der Spiele bis hin zum Finale an. Zu einem Erlebnis wird der Film aber erst dank witziger und charismatischer Frauen aus Frankreich, England, Argentinien und Mexiko, die ihre damaligen Auftritte auf dem Rasen aus einem Abstand von 50 Jahren mit einer Mischung aus Stolz und Wehmut kommentieren.

Stellvertretend für den Sportsgeist der Teilnehmerinnen erklärt die Dänin Birte Kjems: »Ich wollte nicht Fußball spielen, um mich wie ein Mann zu verhalten. Ich wollte Fußball spielen.« Der Film fängt das Credo einer Großveranstaltung ein, die nicht von ideologischen Beweggründen motiviert wurde. Medienunternehmer aus Mexiko setzten schlichtweg auf das kommerzielle Potenzial des Frauenfußballs. Damit gerieten sie in Konflikt mit der mächtigen FIFA, die durch die Beteiligung von Frauen einen Imageverlust befürchtete. Sie erkannte die Copa 71 nicht an und setzte alles daran, Frauenfußball zu unterdrücken. So fand die erste offizielle Frauen-WM erst 1991 statt. Das Interesse hielt sich in Grenzen. Dagegen erinnern die elektrisierenden Bilder aus dem voll besetzten Aztekenstadion an das meistbesuchte Frauensportereignis der Geschichte.

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