Kritik zu Bernadette

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Cate Blanchett als innovative Architektin, die zu ihren Bauten passende Pullover strickt: Richard Linklater hat Maria Semples Bestseller über eine Frauenkrise.verfilmt

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Eine Stararchitektin hat den Beruf aufgegeben, um an der Seite ihres Mannes und ihrer Tochter zu leben. In der miefigen Provinz von Seattle wird sie von Angstschüben gepeinigt, die sie mit Psychopharmaka in den Griff zu bekommen versucht. Um einer erzwungenen Therapie zu entfliehen, bricht Bernadette unversehens aus. Mann und Tochter spüren die verlorene Mutter nach einigen Irrungen auf.

In der Zusammenfassung klingt »Bernadette« nicht wirklich prickelnd. Die Adaption des Bestsellers von Maria Semple, zu der Regisseur Richard Linklater gemeinsam mit zwei Koautoren auch das Drehbuch verfasste, ist ein Kompromiss. Die Balance zwischen einem gefühlvollen Kinodrama und der sophistischen Beschwörung einer literarischen Figur stimmt nicht so ganz.

Dennoch hat der Film seine Momente. Man sollte allerdings kein konventionelles Familiendrama erwarten. Erzählt wird von einer kreativen Frau am Rande des Nervenzusammenbruchs. Bernadette hat Architektur neu erfunden. Das Errichten von Gebäuden ist für sie nur das letzte Glied in einer Kette schöpferischer Maßnahmen, deren intellektuelle Überspanntheit der Film humorvoll ins Bild setzt. Da gibt es beispielsweise ein Gleitsichtbrillen-Haus mit bifocaler Optik. Und in einem herrlich skurrilen YouTube-Video erklärt ein Manager, Bernadette habe beim Bau des neuen Disney-Firmensitzes die Bedürfnisse der Menschen so akribisch erkundet, dass sie sogar Pullover passend zum Gebäude strickte.

Auf dem Höhepunkt ihrer Karriere wurde dann jenes Haus, in dem sie ihre Vollendung sah, vom neuen Besitzer platt gemacht. Diese Tragödie wird aber in einer Rückblende ebenso beiläufig erwähnt wie ihre vier Fehlgeburten. Die Brüche in Bernadettes Leben kann man daher nicht nachfühlen. Der Film zeigt nur den Endpunkt ihres kreativen Dilemmas. Die Architektin lebt in einer stillgelegten Fabrik, die sie zu einem stilvoll verwitterten Traumhaus umgebaut hat. Das Gebäude ist ein Statement, und was für eines: eine Schizophrenie aus Holz und Stein. Diese schrille Villa Kunterbunt ist ein Haus, das gleichzeitig kein Haus sein soll, sondern ein variabler Zustand. Überall tropft es durch – die Natur wird dazu eingeladen, zu ihrem Recht zu kommen. So schneidet Bernadette beim Telefonieren ganz nebenbei ihren Teppich auf, damit eine Pflanze, die sich darunter ihren Weg gebahnt hat, atmen kann.

Wer keine Antenne für diese im Videoclip-Tempo angedeuteten Gedankenspiele hat, wird den Film nichtssagend und kitschig erleben. Neben Cate Blanchett, die mit unwiderstehlichem Powerplay die dramaturgischen Defizite des Films übertüncht, bleiben die übrigen Figuren blass. Hinter »Bernadette« steht die Produktionsfirma Annapurna, die mit »Spring Breakers«, »Her«, »American Hustle», »Foxcatcher« und »Joy – Alles außer gewöhnlich« immer wieder nach Mittelwegen zwischen traditionellem Publikumsfilm und Arthousedrama sucht. Diesmal ist das nicht ganz gelungen. Dennoch ist »Bernadette« auf subtile Weise genial.

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