Kritik zu Angel – Ein Leben wie im Traum

englisch © Lionsgate UK

François Ozons Kostümfilm über das Schicksal einer Trivial-Autorin

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Schön muss es sein, in prächtiger Ausstattung, brillant simuliertem Technicolor und romantischer Musik zu schwelgen. François Ozon ist einer, der die Schauwerte des großen Kinos fürs zeitgenössisch Machbare abzuscannen weiß. Seine Filme spüren Vorbildern von Fassbinder über Cukor bis Truffaut nach, spielen Studiokomödie (»8 Frauen«), Thriller (»Swimmingpool«) oder Psychostudie (»Die Zeit, die bleibt«) durch, um am großen Rad des Melodrams zu drehen und dem Schmerz der Obsessiven ein Denkmal zu setzen. Sein Thema ist aktuell, indem es den Preis beweint, der bei hemmungslos outriertem Individualismus fällig wird. Seine Formsprachen lackieren die Sujets jedoch mit delikatem Manierismus, sein Autorenkino weist wie bei Almodóvar in die götterdämmernde Richtung des »Film-Films« (Serge Daney).

Jetzt musste ein Roman der englischen Autorin Elizabeth Taylor ran. Er kreist um Liebe und Leid einer extravaganten Schriftstellerin im ersten Drittel des vorigen Jahrhunderts. Das Buch ist in Frankreich beliebt, was Ozons »Camp«-artiger Anverwandlung der britischen Szenerie die Patina gut abgehangener Klischees verleiht.

Angel ist ein bisschen Little Women-Bürger/Bohème, ein Filmfarbtopf wie Vincente Minnellis »Gigi« und ein »Vom Winde verweht«-Ableger. Wie Scarlett O'Hara erfindet sich eine aufstiegsbesessene, geltungssüchtige Frauensperson dramatisch neu. Angel wird von der jungen Romola Garai mit gekonnter Hysterie verkörpert, zu wenig als Star-Ikone, aber bemüht um Psycho-Logik.

Emanzipation und Egozentrik, grenzüberschreitende Lebensentwürfe und falsche Partnerwahl – alles eine Stilfrage. Auch spielt ein großes Haus mit, hier das neogotische »Paradise« zum Verstecken vor der Wirklichkeit. Und wie gehabt kommen Krieg und Männerstolz der willensstarken Protagonistin in die Quere. Ihr leidenschaftlich hingeworfenes Gekritzel nährt zwar ihren Hochmut, bringt Ruhm und Reichtum, aber nicht das Glück. Wer hätte das gedacht?

Viel Rot, Schwarz und Apfelgrün in Roben und Dekors, wenn die vaterlose Angel die engen, in dunklen Tönen gehaltenen Verhältnisse bei Mutter in »Paradise House« vergessen macht. Höhepunkt ist Angels Eroberung des zweifelhaften Malers Esmé (Michael Fassbender als unsicherer Hasardeur, der schwach aussieht gegenüber Romola Garais weiblichem Furor). Sein prä-expressionistisches Monsterporträt der Geliebten – in Rosa –, ein Society-Skandal, wird gnadenlos schöngeredet von der dominanten Dame. Lucy Russell, die Angel über alles liebende Sekretärin Nora, bietet modische Seitenblicke auf die Welt außerhalb von »Paradise«, Charlotte Rampling ist als elegante, ironische Verlegergattin die wahre Augenweide.

Am Ende Trauer und Tod wieder in Beige und Schwarz. Der gescheiterte Maler, Kriegsveteran und heimliche Ehebrecher nimmt den Strick, das romantische Liebeskonzept der Heldin enthüllt sich als ebenfalls todwund, was die Einsame in den künstlerisch unfruchtbaren Rückzug zwingt. Ihre bombastische Vorkriegsaufmachung wirkt nun gnadenlos »old fashioned«, die abgelebte Ego-Shooterin hat unter den modernen Zwanziger-Jahre-Frauen keine Zukunft. Schluchzen, Beerdigung, letzte Worte.

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