Kritik zu Agent of Happiness
Ein Dokumentarfilm, der den Topos des bhutanischen Bruttonationalglücks zum Anlass für ein bewusst unspektakuläres und intimes Roadmovie durch die Hochtäler des Himalaya nimmt
Was fällt Ihnen bei Bhutan ein? Genau! Das sogenannte Bruttonationalglück ist mittlerweile einer der Unique Selling Points des kleinen Königreichs im Himalaya – und Füllstoff unzähliger Dokumentarfilme, die mit seiner Hilfe auch dem Glück außerhalb Bhutans auf die Spur zu kommen hoffen. Nun ist nach vielen solch internationalen Glückssuchern in »Agent of Happiness« in der titelgebenden Rolle einmal ein einheimischer Scout auf der Suche nach der emotionalen Befindlichkeit im Lande. Unterwegs ist dieser nicht in eigener Sache, sondern als einer von 75 offiziellen »Volksbefragern«, die im Auftrag der Regierung mit Fragebögen durch das Land ziehen, um mit 148 Fragen in neun Kategorien Daten für die nationale Bestandsaufnahme des Glücksindexes und die Planung zu sammeln. Zu Anfang des Films sehen wir in einer offiziellen Schulung der Befrager an der Tafel auch die mathematische Formel, die angeblich den legendären Brutto Happiness Index berechnet: BHI = Hh + (Hn x As).
Amber Gurung ist für seine Mission mit einem Kollegen im orangen Kleinwagen mit interner Frontkamera unterwegs, zu Hause lebt der mittelalte Mann allein mit seiner bettlägerigen Mutter. Die Punkte auf der Liste (deren jeweilige Bilanzaufnahmen ausschnittsweise im Bild eingeblendet werden) reichen von der Zahl der Kühe über das Vorhandensein von Handy, Kühlschrank oder Autos bis zu mentalen Faktoren wie dem Grad an Einsamkeit, Trauer oder Empathie. Dabei sind die Antworten naturgemäß volatil: Gleich der erste Befragte schwebt auf Glückslevel zehn, weil ihm letzte Nacht ein Kälbchen geboren wurde. Unglück ist oft privat durch Krankheiten oder Todesfälle konnotiert. Viele folgen dem Pfad buddhistischer Anspruchslosigkeit. Doch nicht nur eine Gruppe im Straßenbau schuftender und nach eigener Auskunft sozial randständiger Nepalesinnen verweist auch auf strukturelle Faktoren für das Befinden.
Erzähler Gurung kämpft wegen seiner ethnisch nepalesischen Herkunft sein Leben lang vergeblich um einen Pass, erfahren wir irgendwann. Und mit seinem früh im Film geäußerten und auch per Tinder betriebenen Traum von einer eigenen Familie wird ein emotionaler Anker für die Rahmenerzählung gesetzt. Sein fürsorgliches Verhältnis zur Mutter spiegelt sich in zwei emotional positiv besetzten Mutter-Kind-Gespannen: eine Schülerin, die rührend und auch therapeutisch erfolgreich ihre alkoholkranke Mutter umsorgt, während die Episode um den Transsexuellen Dechen und seine ebenfalls kranke Mutter aus der Enge der traditionellen Häuser erst in Bars führt, wo er als Tänzer auftritt, und dann in ein spirituelles Bad.
»Glücklich ist das Land des Donnerdrachens«, klingt es aus dem Off in einem süßlichen Lied, das nach nationaler Wohlfühlpropaganda klingt. Dieser selbst eher still beobachtende und in seinen Beobachtungen oft humorvolle Dokumentarfilm zeichnet das kritisch sympathetische Bild eines Kosmos, in dem menschliche Beziehungen auch jenseits des BHI noch sozial dominant sind. Vielleicht gelingt den Filmemachern in Zukunft ja auch ein Blick darauf, was mit den gesammelten Daten geschieht.
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