Kritik zu The Accountant

© Warner Bros.

Ben Afleck spielt in Gavin O’Connors Thriller ein autistisches Finanzgenie, das für die Buchhaltung der größten Verbrechersyndikate zuständig ist

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Dass Christian Wolff (Ben Affleck) kein normaler Buchhalter ist, verrät schon ein Blick in seine Klientenliste. Zu seinen Auftraggebern gehören die Camorra, das Sinaloa-Kartell, islamistische Terror­organisationen. Doch Normalität ist in Christians Fall ohnehin eine fragliche Kategorie. Er kann ein 1000-teiliges Puzzle in Rekordzeit komplettieren, ohne auch nur das Bildmotiv zu sehen, wohingegen die Berührung eines Menschen für ihn unerträglich ist. Schon sein Kinderpsychiater erklärte den Eltern, dass ihr Sohn einmal zu Großem berufen sei. Aber statt die Welt zu verbessern, benutzt er seine außergewöhnlichen Fähigkeiten dazu, die Finanzen von Verbrechersyndikaten zu frisieren. Als er in Gavin O'Connors Thriller »The Accountant« das erste Mal zu sehen ist, hilft er allerdings gerade einem älteren Farmerehepaar mit ein paar praktischen Steuertipps.

Diesem Christian Wolff, soll das heißen, mangelt es also an einem moralischen Kompass. Er macht keinen Unterschied zwischen einem agrarwirtschaftlichen Kleingewerbe und dem global organisierten Verbrechen. Wolff kann die Menschen nicht sehen, immer nur deren Zahlen. Dass dies eine stereotype, hollywoodtypische Vorstellung von Autismus ist – geschenkt. Bill Dubuques Drehbuch, das lange Zeit in der Branche als heißestes unverfilmtes Skript kursierte, nimmt es auch dramaturgisch nicht so genau. Christian Wolff ist keine allzu plausible Figur, vielmehr wirkt sie, je komplizierter sich die Geschichte entfaltet, wie eine Kulmination wahlloser Drehbuchideen.

Das FBI hält ihn für eine Art Zelig des organisierten Verbrechens: Auf den Überwachungsfotos verschiedenster Verbrecherorganisationen ist er stets diskret im Hintergrund zu sehen. Doch seine Identität kennt niemand. Also beordert Ray King (J. K. Simmons), oberster Steuerfahnder, kurz vor der Pensionierung die junge Agentin Marybeth Medina (Cynthia Addai-Robinson) in seine Abteilung. Sie soll den »Accountant« ausfindig machen. Um unter dem Radar der Behörden zu bleiben, übernimmt Christian derweil einen legalen Auftrag: Er soll die Bilanzen eines milliardenschweren Biotech-Konzerns vor dessen Börsengang prüfen. Zur Seite gestellt wird ihm dort das Zahlengenie Dana Cummings (Anna Kendrick). Gemeinsam stoßen sie auf eine Verschwörung von ungeahnten Ausmaßen...

Erstaunlich an »The Accountant« ist, wie leichtfertig O'Connor die Handlung im Verlauf der zwei Stunden durch Nebenplots aus dem Fokus verliert. Die einzelnen Motive sind aus besseren Genrefilmen und Fernsehserien der letzten Jahre hinlänglich bekannt (der soziopathische Killer, ein Vater-Sohn-Konflikt, die eruptive, fachgerecht exekutierte Gewalt), doch in dieser Remix-Version fügen sie sich trotz großartiger Besetzung (Jeffrey Tambor, John Lithgow, Jon Bernthal sind in Nebenrollen zu sehen) zu keiner kohärenten Geschichte. O'Connors hochkonzentrierte, elegante Inszenierung lässt zu Beginn noch Autorenanspruch vermuten, doch am Ende wirkt »The Accountant« nur wie ein überambitioniertes B-Movie.

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