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Als bildgewaltigen Befreiungsschlag inszeniert Simon Hunter die Gipfelbesteigung einer 83-Jährigen in den schottischen Highlands
Es gibt wohl kaum ein metaphorischeres Motiv als das des Bezwingens eines Berges. Es ist die körperliche Anstrengung, die Einsamkeit, die den freien Gedankenfluss zulässt, die Reduktion auf die Bewegung und schließlich das erhebende Gefühl, es geschafft zu haben, den Blick über ein meist gigantisches Panorama schweifen zu lassen – über den Dingen zu schweben. Und so ist es auch ein Bild für einen Befreiungsschlag und damit ein, um im Bild zu bleiben, ganz schön ausgetrampelter Pfad.
Der britische Regisseur Simon Hunter begibt sich trotzdem auf genau diesen, wenn er die 83-jährige verwitwete Edie (Sheila Hancock) auf den Berg Suilven in den schottischen Highlands schickt und ihr den jungen, draufgängerischen Jonny (Kevin Guthrie) an die Seite stellt. Ihr Leben lang hat sich Edie für andere aufgeopfert, hat ihren nach einem Schlaganfall an den Rollstuhl gefesselten Mann 30 Jahren lang bis zu dessen Tod gepflegt. Schon als er noch gesund war, hatte er sie in die klassische Mutter- und Hausfrauenrolle gedrängt und, was noch schwerer wog, von ihrem Vater entfremdet. Mit dem war die einst stürmische, selbstbewusste Edie als junges Mädchen in den Highlands gewandert. Beim Ausmisten findet sie dann eine Karte ihres Vaters und ihre uralte Wanderausrüstung wieder.
Jonny arbeitet in einem Sportladen, ist chronisch pleite und mit einer sehr viel ehrgeizigeren Frau zusammen, die klare Vorstellungen vom Leben hat. Er und Edie passen also bestens zusammen – auch wenn Edie die mürrische, grantelige Oma gibt, Jonny den unbeschwerten, jungen Mann, finden sie schnell eine Ebene und die eine oder andere Gemeinsamkeit. Er bringt ihr das Dosenbiertrinken und das Fahrradfahren bei, sie mahnt ihn, er solle sein Leben nicht allzu sehr den äußeren Zwängen unterwerfen.
So weit die Charakterisierung und die Geschichte. Viel mehr gibt es zu »Edie – Für Träume ist es nie zu spät« kaum zu sagen. Denn die Figuren entwickeln sich so gut wie gar nicht. Die Annäherung zwischen Jonny und Edie bleibt mehr eine Behauptung, als dass sie szenisch belegt wird. Die Geschichte nimmt ihren vorgezeichneten Lauf – und zu allem Überfluss fühlt man sich zwischendurch immer wieder in einen Werbespot eines skandinavischen Sportausstatters versetzt – so penetrant fängt die Kamera das Logo ein, so prominent setzt sie Edies neue Ausstattung in Szene.
Das gilt glücklicherweise auch für die sagenhafte Landschaft der schottischen Highlands, die Hunter eindrucksvoll und in langen Einstellungen einfängt – und unnötigerweise mit orchestralem Bombast von der Filmkomponistin Debbie Wiseman untermalen lässt. So lebt der Film vom ausdrucksstarken Gesicht seiner Hauptdarstellerin Hancock, Jahrgang 1933, mit ihren glasklaren blauen Augen, den vielen Furchen und Fältchen, einer Mimik, die mehr erzählt als die ohnehin kargen Dialoge. Seit fast 50 Jahren steht sie auf der Bühne und vor der Kamera, ihr hätte man einen klügeren Film gewünscht. So bleibt er ein flüchtiges Vergnügen ohne viel Tiefe.