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Mit den wahren Helden als Darsteller ihrer selbst verfilmt Clint Eastwood die mutige Verhinderung eines Attentats durch eine Gruppe beherzter Passagiere im Thalys von Amsterdam nach Paris vom August 2015
Erstaunlich ist es nicht, dass Clint Eastwood ein Interesse für die Ereignisse des 21. August 2015 im Hochgeschwindigkeitszug Thalys von Amsterdam nach Paris entwickelte. Heldenhafte Männer, die sich im Zweifelsfall schon militärisch oder sonst irgendwie patriotisch bewiesen haben und jede noch so schwierige Situation selbst in die Hand nehmen, statt sich ihrem Schicksal zu ergeben, waren bekanntlich schon immer die bevorzugten Protagonisten des alten Hollywood-Haudegen.
Zur kurzen Auffrischung für alle, denen die Schlagzeilen von vor drei Jahren nicht mehr ganz präsent sind: In Brüssel stieg damals ein Attentäter zu, der wenig später schwer bewaffnet aus einer Zugtoilette kam und das Feuer eröffnete, bevor er von einigen mutigen Passagieren – darunter drei jungen Amerikanern auf Europareise – überwältigt werden konnte. Dank ihnen musste damals kein einziger Mensch sein Leben lassen.
Eastwood sucht in diesem Vorfall nun den Stoff für einen Spielfilm – wird aber nicht recht fündig. So zumindest hat es denn Anschein, denn der eigentliche Anschlag und seine Vereitelung – vom inzwischen 87-jährigen Regisseur relativ packend und mit beinahe dokumentarischer Unmittelbarkeit gefilmt – nimmt am Ende nicht einmal ein Viertel des Films ein.
Der Rest ist Biografisches zu seinem Heldentrio, reichlich uninspiriert inszeniert. Zu Beginn sieht man Spencer, Alek und Anthony als Kinder, wie sie an ihrer katholischen Schule zum Rektor zitiert und zu Hause von ihren (zumindest in zwei Fällen) alleinerziehenden Müttern groß gezogen werden und ansonsten gemeinsam ihrer Freude am Krieg-Spielen frönen. Später dann trimmt Spencer sich in kürzester Zeit vom übergewichtigen Schluffi
zur Armeetauglichkeit und landet irgendwann bei der Air Force, während Alek es mit der Oregon Army National Guard sogar bis Afghanistan schafft. Und schließlich wird noch der Europatrip der drei Freunde im Schnelldurchlauf abgearbeitet: Selfies in Rom, Rotweintrinken und Urlaubsflirt in Venedig, Nazibunkersprüche in Berlin und Feiern in Amsterdam.
Wirklich etwas zu erzählen hat Eastwood in dieser überlangen Exposition leider nicht. Woher kommt schon in der Jugend die Faszination für Waffen? Was verbindet die drei noch als Erwachsene? Und was geht in Menschen vor, die ohne lange nachzudenken ihr eigenes Leben riskieren, um andere zu retten? In »15:17 to Paris« gibt es auf all das keine Antworten.
Gut möglich, dass versierte Schauspieler dem schwachen Drehbuch zumindest noch ein bisschen Tiefe abgerungen hätten. Doch Eastwood lässt aus unerfindlichen Gründen Spencer Stone, Alek Skarlatos und Anthony Sadler sich selbst spielen. Und so sympathisch diese drei Helden des wahren Lebens sind, so wenig wurde ihnen darstellerisches Talent in die Wiege gelegt. Am Ende freut man sich mit ihnen, wenn Frankreichs damaliger Präsident Hollande (in Archivausschnitten der echte, im Gegenschnitt ein lachhaftes Double) die Orden der Ehrenlegion ans Poloshirt heftet. Aber wünscht ihnen auch einen gelungeneres filmisches Denkmal.