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Zehn Jahre nach seiner Erfolgskomödie »Willkommen bei den Sch'tis« lässt Regisseur und Hauptdarsteller Dany Boon nun die Sch'tis nach Paris
kommen und einen hochnäsigen Designer zu seinen Wurzeln zurückfinden
Es wird zwar geredet wie mit einer heißen Kartoffel im Mund, doch im Gegensatz zu Klingonisch ist Sch'ti halbwegs verständlich. Die Übertragung der Sch'ti-Mundart des Kassenhits »Willkommen bei den Sch'tis« von 2008 gehört zu den großen Glücksfällen der oft geschmähten deutschen Synchronzunft. Statt den picardischen Dialekt durch einen deutschen Dialekt zu ersetzen, erfand Synchronregisseurin Beate Klöckner ein fiktives Kauderwelsch, in dem aber Anklänge rheinfränkischer Dialekte zu hören sind. Es ist eine Kunstsprache, doch sie klingt verwandt. Der zweite Sch'ti-Film ist keine Fortsetzung des ersten, basiert aber noch mehr auf der sprachlich-kulturellen Konfrontation von Hochfranzösisch und einem Dialekt, bei dem, knapper und gröber, nicht um den heißen Brei herumgeredet wird. Ein konsterniertes »Wie bitte?« wird zu einem rausgeblökten »Häh??«.
Nun ist die Handlung hauptsächlich in Paris angesiedelt: Die Designer Valentin und Constance sind das It-Paar der Pariser Upperclass, als Valentin plötzlich von seiner bisher verschwiegenen Sch'ti-Familie heimgesucht wird. Nach einem Autounfall erleidet er eine Amnesie und spricht nur noch tiefstes Sch'ti. Ein Sprachlehrer versucht, Valentin »gutes« Französisch beizubringen, wobei Valentins Harthörigkeit für deutsche Ohren den Bemühungen von Franzosen, englisch zu sprechen, ähnelt. Valentins Frau Constance dagegen lernt Sch'ti, um ihm wieder näherzukommen.
So wird in Boons neuer Komödie zwar auch das Gehabe der Snobs persifliert, aber vor allem mit viel Sprachwitz familiär gemenschelt. Abgesehen von den Störmanövern des geldgierigen Schwiegervaters ereignen sich weder schlimme Culture-Clashs zwischen Hinterwäldlern und Städtern, noch zwischen Valentin und seiner von ihm vergessenen Liebsten Constance, die anfangs als arrogante Zicke erscheint. Selbst Valentins Mutterdrachen – Line Renaud ähnlich furchterregend wie im ersten »Sch'ti«-Film – findet an ihr nicht wirklich viel auszusetzen.
Diese Versöhnlichkeit geht leider zu Lasten einer schlüssigen Handlung: Was genau bewog Valentin dazu, seiner Familie so radikal den Rücken zu kehren, dass er sich als Waise ausgab? Keine Ahnung! Die Provinzler, die zwischen Bauernhof, Wohnwagen, Schrottplatz und Öko-Gemüseanbau vor sich hin wursteln, sind weder proletarisch noch penetrant.
In diesem harmonieseligen »Round-Up« der aus Boons vorigen Komödien bekannten Darsteller bekommt auch Altstar Pierre Richard ein warmes Plätzchen. Biss hat lediglich der Spott über Kunstmätzchen. Wenn das hochnäsige Designerduo etwa seinen Kunden – die, ein Running Gag, alle »Rücken« haben – beibringt, auf dreibeinigen Stühlen zu sitzen, fühlt man sich sowohl an die Kunstsatire »The Square« wie an Buster Keaton und besonders an Jacques Tatis Klassiker »Mein Onkel« erinnert. All das ist mit viel Drive inszeniert und oft sehr lustig, will aber nie mehr sein als eine herzige Komödie für die ganze Familie – und wirkt in dieser Beschränkung ein klein wenig mutlos.