Kritik zu Dann passiert das Leben
Anke Engelke und Ulrich Tukur zeigen ganz große Form in Neele Leana Vollmars filigran inszeniertem Film um ein Ehepaar Mitte sechzig, das aus der Routine eines missgelaunten, bürgerlichen Alltags geweckt wird
Ein Mann und eine Frau, durch viele Eheroutinejahre zugleich miteinander verbunden und voneinander entfremdet, fahren zusammen, aber in getrennten Autos, zu einem Bäderladen, sie wollen ihr Bad aufhübschen, die Wanne zur Dusche umbauen. Was sich dann entfaltet, könnte fast ein Sketch von Loriot sein, in der Art, wie Ulrich Tukur und Anke Engelke hier Animositäten austauschen: Sie findet blaue Fliesen gut, er tendiert zu warmem Rosa. Er nimmt das Kaffeeangebot an, sie zischelt, warum er denn jetzt einen Kaffee wolle, der sowieso schlecht schmecke, woraufhin er den Kaffee besonders lobt und noch einen Keks erbittet, den er genüsslich knuspert, was ihr physisches Unbehagen bereitet. Und wer hat jetzt den Zettel mit den Maßen vergessen? Der Verkäufer wiederum macht spitze Bemerkungen über das Alter, in dem es ja mit der Wanne beschwerlich werde, woraufhin sie abrupt aufsteht und seinen schlecht sitzenden Anzug verbal zerlegt. Die ganze Szene ist so fein austariert zwischen Komik und Tragik, Verzweiflung und Bissigkeit, dass sie sich zu einem Versprechen verdichtet, das der Film bis in die kleinsten Momente hinein einlöst. Unfassbar viel wird da über Kleinigkeiten erzählt: die Art, wie Rita morgens, abends und vor dem Weggehen die Rollläden herunterlässt und hochzieht, wie sie ihre biedere Kleinstadtexistenz abschottet und zugleich zum Gefängnis einer Ehe macht. Wie sich beiläufig erschließt, dass die beiden getrennt schlafen, weil sie im Schlafzimmer sein andersfarbiges Bettzeug bereitlegt, als der Sohn zu Besuch kommt. Später offenbart sich, dass Ritas verstörende Bitterkeit auch damit zu tun hat, dass er in der Schule, deren Direktor er ist, eine Affäre mit einer Kollegin hatte. Wie soll das werden, wenn er demnächst pensioniert und dauernd zu Hause ist, fragt sie sich, und irgendwann auch ihn. Wären sie beide glücklicher, wenn er bei der anderen geblieben wäre?
Doch dann geschieht etwas, das dieses in allen Poren sitzende Gift der kleinen Momente zerplatzen lässt. Nachdem sie den Sohn zurück zum Bahnhof gebracht haben, streiten sie sich im Auto heftig, es ist dunkel, es regnet stark, die Scheiben beschlagen, die Wischer nehmen die Sicht, aus dem Nichts kommt ein Radfahrer unter die Räder, ist sofort tot. Auf herzzerreißende Weise löst diese katastrophale Erschütterung lang verschüttete, heftige Gefühle aus. Momente der Menschlichkeit, des Mitgefühls brechen die eingefahrenen Rituale der Abneigung, des Frustes auf, verwandeln sie durch Trauer, Schuld und Scham in ein neues Gefühl der Verbundenheit. Wie weggefegt ist plötzlich der angesammelte Müll der Ehejahre, die Tragödie wird zum Befreiungsschlag: Was für ein Abenteuer, das aus all den kleinen Beobachtungen herauszulesen, bis irgendwann die Rollläden oben bleiben und das Mondlicht ins Leben scheinen kann. Lässt man sich auf die leisen Töne dieses Films ein, dann wird man reich belohnt, erfährt sehr viel über die Condition humaine eines Paares im Lebensabschnitt nach der Pensionierung.





Kommentare
och mensch
wieso muss dafür jemand sterben - hätte Romantik nicht gerreicht ...
Schließe mich der Kritik
Schließe mich der Kritik vollumfänglich an - ein großartiger Film mit phantastischen Darstellern. Realistische Szenarien ohne Überfrachtung, sehr wohltuend. Auch das Ende fand ich stimmig - das gelebte Leben mit all dem, was passiert, kann das Herz schon mal überfordern…
Würde den Film unbedingt empfehlen!
Ein wunderbares kluges und
Ein wunderbares kluges und fein inszeniertes Theaterkinodrama...ich verbeuge mich vor allen Darstellern und der Regisseurin....Danke!!
toller Film
Der Film der berührt.Die Schauspieler sind hervorragend, insbesondere Anne Engelkes. Ein besonderes Kompliment an die Kameraführung und die Regie. Das Ende etwas problematisch. Der Film ist uneingeschränkt empfehlenswert .
Langweilig,freudlos,schade um
Langweilig,freudlos,schade um die Zeit
Spannen bis zum Schluss
Ein Film nach meinem Gusto. Keine Verfolgungsjagd, keine zugespitzten Problemfälle. Nur normalen vorzeige Alltag einer langen Ehe.
Düster und traurig - aber gut gespielt
Der ganze Film ist düster gehalten, Gespräche finden gar nicht statt, es gibt nur traurige Momente, der Tod der Ente, die Uneinigkeit der Beiden, das Getuschel auf der Toilette.
Nur 1 Szene zeigt lachende Gesichter, beim Tanzen.
Alltag einer langen Ehe?
Ein interessanter Film, der
Ein interessanter Film, der einen leider herunter zieht, angesichts des Elendes einer verkrusteten Ehe. Gut gespielt aber deprimierend.
Dann passiert das Leben
Hallo,
ich habe den Film mit meiner Frau zusammen angesehen. Altesmäßig ist das genau unser Thema - Übergang in den Ruhestand, das Leben neu sortieren. Die schauspielerische Leistung war sehenswert, trotzdem störte uns etwas: Das geschilderte Paar wirkte nicht wie ein Paar Mitte 60 aus der Gegenwart, sondern eher wie Leute aus unserer Elterngeneration, die dieses Alter vielleicht in den Neunzigern oder Nuller Jahren erreicht hatten Das lag zum Teil auch an dem Drumherum. Das Haus im besten Siebziger-Jahrestil ausgestattet. Wer hätte das 50 Jahre so gelassen? Mag sein, dass die Kacheln im Bad bleiben, aber Möbel und Tapeten hätte man doch längst gewechselt, wenn man in zweiter Generation in einem Haus aus den Siebzigern lebt.
Der Tod der "Rita" im Film machte zudem die Möglichkeit zunichte, den positiven Ausblick, der sich in der Story entwickelte, zu bewahren: Ein Paar musste sich durch die veränderte Lebenssituation neu definieren und geriet dadurch in eine schwere Krise. Doch das Paar schaffte es, zusammenzubleiben, und es schien am Ende des Films so, als ob sie es schaffen könnten, ihr Leben neu gemeinsam anzugehen... Das wäre doch ein gutes Ende gewesen. Doch nach dem Tod erzählt der Mann aus dem Off seiner verstorbenen Frau, wie er alleine weiter macht und erklärt ihr seine Liebe, was er der noch lebenden Ehefrau gegenüber nicht hinbekommen hat. Das ist leider nicht ganz glaubwürdig. Also: Guter Film, aber Schächen. Und das Ende ein bisschen verschenkt.
Berührend
Die schauspielerische Leistung von Frau Engelke ist grandios. Auch wenn der Film Längen hat, ist er auf der emotionalen Ebene sehr berührend. Die Anleihen an Loriot etwas zu offensichtlich und mit der Symbolik wird auch teilweise übertrieben. Trotzdem ein sehr gelungener und sehenswerter Film.
Dann passiert das Leben
Ein toller Film. Ruhig, geglückt alltäglich mit dem beständigen Geräusch der Rollläden.
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