Kritik zu Der traumhafte Weg

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Angela Schanelec erzählt in ihrem neuen Film von zwei Paaren, die auseinandergehen. Unterschiedliche Zeiten, Orte und Personen fügt sie in loser Szenenfolge zu einem Filmpoem zusammen, das willentlich Lücken lässt, wo sonst Fragen beantwortet werden

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Immer wieder beobachtet die Kamera Menschen beim Gehen. Manchmal konzentriert sich ihr Blick auf die Füße, manchmal auf den ganzen Körper. Mal begleitet die Kamera die Protagonisten auf ihren Wegen, mal verharrt sie an einem Ort und blickt denen, die sich von ihr entfernen, reglos nach. Dennoch haben all diese Szenen eins gemeinsam: Reinhold Vorschneiders oft unkonventionell kadrierte Einstellungen vermitteln ein sehr konkretes Gefühl für die Wege, die zurückgelegt werden. Das Vergehen von Zeit wird greifbar in diesen Bildern, die einen Lichtstrahl oder einen Windstoß in Poesie verwandeln. Alles ist in Bewegung, Teil eben jenes »traumhaften Weges«, der das Leben ist.

Das Leben ein Traum... das heißt keinesfalls, dass alles wunderbar wäre. Ganz im Gegenteil: Es ist eher ein Eingeständnis von Ohnmacht. Der Wille des Menschen mag frei sein. Sein Leben ist trotz allem eine Folge von Bewegungen und Begegnungen, die sich seinem Zugriff letzten Endes entziehen. So haben die Figuren in »Der traumhafte Weg«, Angela Schanelecs bisher radikalstem Kinotraum, etwas von Schlafwandlern. Zwei dieser Somnambulen sind Theres (Miriam Jakob) und Kenneth (Thorbjörn Björnsson). Die Deutsche und der Engländer haben sich 1984 in Griechenland kennengelernt. Für eine kurze, prägende Zeit sind sie ein Paar und schlagen sich als Straßenmusiker in Athen durch. Doch dann erfährt Kenneth, dass seine Mutter einen schweren Unfall hatte, und kehrt nach London zurück.

Die Erzählung zersplittert. Aus der einen Geschichte werden zwei. Die Wege trennen sich und verlaufen für eine gewisse (Film-)Zeit parallel. Doch dann gibt es einen zweiten, noch tiefer gehenden Schnitt. Gerade als sich Theres im Sommer 1989 mit ihrem kleinen Sohn Thomas auf den Weg nach Berlin macht, um dort ihr Referendariat als Gymnasiallehrerin anzutreten, springt Angela Schanelec ins Berlin der Gegenwart. Und erneut begegnet man einem Paar, das sich schon bald wieder verlieren wird. Die Schauspielerin Ariane (Maren Eggert) lebt zwar noch mit dem Ethnologen David (Phil Hayes) zusammen. Aber sie liebt den Vater ihrer Tochter Fanny nicht mehr.

Filme neigen wie Fernsehserien und Romane zu geschlossenen Systemen. Natürlich lassen ihre Schöpfer immer auch die eine oder andere Lücke. Das gehört zur Strategie. So wird der Zuschauer im Kino in eine Art Dialog gezogen. Er selbst kann und soll seiner Imagination freien Lauf lassen und dabei die Lücken schließen. Auf all die Fragen, die im wirklichen Leben offenbleiben, gibt es in diesen elaborierten Konstrukten, diesen psychologisch genau durchgearbeiteten Ersatzwelten, Antworten. Darin liegt ihr trügerischer Zauber. Sie erlösen einen zumindest für einige Zeit aus der eigenen nicht fassbaren Realität.

In einer Welt, die mehr und mehr zersplittert, wächst zugleich die Sehnsucht nach Übersicht und mit ihr die Sehnsucht nach Geschichten, die am Ende möglichst wenige Fragen offenlassen. Und genau dieser Sehnsucht widersetzt sich Angela Schanelec. Ihre Filme erschaffen keine lückenlosen Gegenwelten. Sie verdichten vielmehr unsere verstörenden Erfahrungen mit der Wirklichkeit zu poetischen Momentaufnahmen.

Wie die Menschen, denen wir im realen Leben begegnen, bleiben Schanelecs Figuren Fremde. Sie geben kaum etwas von sich preis. Aber in ihren Bewegungen, dem Rhythmus ihrer Stimmen, den Choreographien ihrer Blicke offenbart sich doch immer etwas von ihrem Wesen. Alleine wie David auf dem Sofa in der Wohnung sitzt, die er nach der Trennung von Ariane mieten wird, erzählt unendlich viel über sein Leiden und über seine Liebe, die nun zum Stachel wird. Szenen wie diese fügen sich nicht zu einer klassischen Erzählung. Sie gleichen eher Versen eines Gedichts, das die Natur unserer Existenz in Stimmungen spiegelt. »Der traumhafte Weg« ist ein Film grandioser Lücken, in denen man sich verlieren kann.

Meinung zum Thema

Kommentare

Ich finde keinen Soundtrack zu diesem Film. Gibt es keinen?

nicht schlafwandlerisch sondern schlaferzeugend!

"Der traumhafte Weg" ist in Wahrheit ein Märchen. Der Film erzählt in seiner ganzen Länge: nichts. Seine Kritiker halten dieses Nichts aber für das große Etwas. Für mich ist "das große Etwas" des Kaisers neues Kleid. Es existiert nur durch die Suggestion der Gruppe der Eingeweihten, die selbst womöglich fürchten, aus dem illustren Zirkel der Versteher zu fallen. Der Schluss des Märchens steht allerdings noch aus: das Kind, das bemerkt, dass hier nur heiße Luft ventiliert wird. Noch wird das Märchen zur Belustigung aller in anderen Filmen weitererzählt.

Ich habe zwar nur kurz eingeschaltet, aber die Quantität der Konversation ist wirklich minimal, was für den Film wirklich echt langweilig macht. Ein bisschen sauer macht mich das auch, weil es mich stresst, wenn die Leute im Film nicht reden.

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