Kritik zu The Beatles: Eight Days a Week – The Touring Years

© Studiocanal

2016
Original-Titel: 
The Beatles: Eight Days a Week – The Touring Years
Filmstart in Deutschland: 
15.09.2016
L: 
138 Min
FSK: 
6

Nur vier Jahre, von 1962 bis 1966, dauerte die große Zeit der Beatlemania, dann war Schluss mit den Konzerten. Ron Howards schier überquellende Dokumentation erweckt die Ausnahmejahre zu neuem Leben

Bewertung: 4
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Ron Howard ist ein ziemlich hipper Anachronismus. Er wirkt wie ein letztes Überbleibsel des klassischen Studiosystems, in dem er ja tatsächlich, vor mehr als 60 Jahren, als Kinderdarsteller anfing. Als Regisseur ist er flexibel, effizient, manchmal auch ein wenig anonym, ein Hollywood-Professional, der ganz selbstverständlich von der Komödie zum Thriller wechselt, vom Sport- zum Kinderfilm, vom Western zum Seefahrerabenteuer. Mal dreht er Dramen wie »Backdraft«, »Apollo 13« oder »Rush«,mal interessante Experimente wie »Ed-TV« oder »Frost/Nixon«, dann wieder Konfektionsware wie »The Da Vinci Code« oder »Dickste Freunde«. Recht spät, 2013, wurde er – wie vor ihm Jonathan Demme, Martin Scorsese und Kevin Macdonald – zum Grenzgänger zwischen Spielfilm und Musikdokumentation und erwies sich mit dem flotten HipHop-Konzertfilm »Made in America« einmal mehr als routinierter Handwerker.

Aber das war nur eine Fingerübung. Mit »Eight Days a Week« wagt er nun das ultimative Porträt der vermutlich einflussreichsten Band aller Zeiten, ein Projekt also, das in mancherlei Hinsicht hätte scheitern können. Howard jedoch ist dieser Aufgabe mehr als gewachsen: Sein Film lässt die »Touring ­Years« der Fab Four auf grandiose Weise lebendig werden, ist gründlich recherchiert, randvoll mit »digital remastertem« oder bislang unbekanntem Material, dabei angenehm unaufdringlich inszeniert und erstaunlich nah dran an seinen Protagonisten.

Howard konzentriert sich auf die große Zeit der Beatlemania von Mitte 1962, als die Band kurz vor dem Durchbruch in Großbritannien stand, bis August 1966, als sie im Candlestick Park von San Francisco ihr letztes großes Livekonzert gab. Eine clevere Wahl: in logistischer Hinsicht, weil aus dieser Phase das üppigste Bildmaterial zur Verfügung steht, und im dramaturgischen Sinne, weil so ein perfekter Bogen geschlagen wird, der zwar nicht von Aufstieg und Fall, immerhin aber vom Verlust von Unschuld und Reinheit handelt, von den unvermeidlichen Zyklen des Showbusiness.

Wir beginnen also mitten im Senkrechtstart, bei einem Gig in Manchester, der einerseits die vertrauten Bilder zeigt – hier die Pilzköpfe auf der Bühne, dort die kreischenden Mädchen im Publikum –, andererseits gleich annonciert, dass Howards Team ganze Arbeit bei der Rekonstruktion und vor allem beim Arrangement des historischen Materials geleistet hat. Die Aufnahmen wirken fast wie neu. Sie sind knackig und klar, und der Schnitt sorgt für eine flüssige Dynamik, die beinahe Spielfilmqualität besitzt.

Unglaublich heiter, geradezu überschwänglich wirken die frühen Beatles, dabei nie gekünstelt oder angestrengt. Wir erleben vier sehr junge Männer, die vor und hinter der Bühne perfekt harmonieren, nichts ernst zu nehmen scheinen, und vor allem doch eins sind: hart arbeitende Profis. Der Film räumt ihren Auftritten angenehm viel Zeit ein, ansonsten bedient er sich ganz unprätentiös der klassischen Mittel des Dokumentarkinos. Howard führt Interviews mit Paul McCartney und Ringo Starr, bedient sich aus den Archiven, um John Lennon und George Harrison zu Wort kommen zu lassen, sammelt Statements von Wegbegleitern und Zeitzeugen, darunter Whoopi Goldberg und Sigourney Weaver, die in jungen Jahren vom Beatles-Virus infiziert waren. Dazu kommt eine schier unglaubliche Fülle von Fotos und Filmausschnitten aus allen erdenklichen Quellen. Vieles davon ist logischerweise geläufig und berühmt, aber es tauchen auch immer wieder überraschende, abseitige Details auf. Unschlagbar die Bilder der »She Loves You« schmetternden Fans im Stadion von Liverpool!

»Eight Days a Week« übernimmt, Hollywood-typisch, etwas zu sehr die amerikanische Perspektive, wenn etwa die Ermordung John F. Kennedys oder die politischen Unruhen in den Fokus gerückt werden. Immerhin wird so aber auch das Engagement der Beatles betont, die sich während ihrer US-Tourneen dezidiert gegen die Rassentrennung wandten.

Meinung zum Thema

Kommentare

Würde diesen Film gerne in Augsburg ansehen.
Welche Kinos?

Der Verleih hat hier eine Kino-Suche eingerichtet. Leider scheint es in Augsburg selbst (noch) keine festen Termine zu geben. Am Besten schauen Sie montags in der Startwoche, also am 12. September, nochmal dort nach. Bis dahin sollten die örtlichen Kinos Ihre Dispos fertig haben ;)

Die Dokumentation von Ron Howard ist sicherlich ein Augen und Ohrenschmaus!
Ich habe allerdings sehr stark die Entwicklung des Images in Hamburg bei den Beatles vermisst. Zwar wurde immer wieder die Frisur der Pilzköpfe erwähnt, aber ohne zu erwähnen dass es Astrid Kirchherr war, die das gemacht hat. Sie war nicht nur eine ausgezeichnete Fotografin sondern auch die Freundin des verstorbenen fünften Mitgliedes der Beatles Stuart Sutclife. https://www.kinofilmwelt.de/filme/details/backbeat

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