Berlinale: Hoffnung auf den Sommer

»Ich bin dein Mensch« (2021). © Christine Fenzl

Eine Frau trifft sich zum Blind Date mit ihrem Traummann – aber leider ist er ein Roboter. Das ist die Prämisse des neuen Films der Schauspielerin und Regisseurin Maria Schrader, »Ich bin dein Mensch«, mit dem sie in den Wettbewerb der 71. Berlinale geladen wurde. Was leider bedeutet, dass in diesen Tagen, dem ersten Teil des wegen Corona zweigeteilten Festivals, nur die Branche den Film zu sehen bekam. Das Publikum muss noch bis zum Sommer warten, wenn, so zumindest die Hoffnung, Mitte Juni während der Festivalfortsetzung in Freiluft- und anderen Kinos das Filmprogramm endlich auch öffentlich vorgeführt wird.

Die positive Seite daran ist, dass Schraders Film jahreszeitlich dann umso besser passen wird, spielt er doch in einem sommerlichen Berlin der Zukunft, in der sogar das Pergamonmuseum wieder offen hat. Der Film hat das Potenzial zum Publikumshit. Der Plot liest sich zwar zunächst wie eine Folge der britischen Fernsehserie »Black Mirror«, die stets einen skeptisch-düsteren Blick auf die technischen Entwicklungen der »nahen Zukunft« warf. Aber Schraders Regie bewahrt eine atmosphärische Leichtigkeit, wie man sie im Science Fiction sonst gar nicht kennt.

Maren Eggert verkörpert die Altertumswissenschaftlerin Alma, die eher unwillig an einem Experiment teilnimmt: Sie soll den Roboter Tom (Dan Stevens), der als ihr Traumpartner geschaffen und programmiert wurde, drei Wochen lang testen und danach ein Gutachten darüber verfassen, ob sie zukünftig Eheschließungen mit »Humanoiden« empfehlen würde. Ein Problem zeigt sich von Anfang an: Alma will eigentlich keinen Partner, und erst recht keinen, der darauf programmiert ist, ihr alles recht zu machen. Mit innerer Abwehr nimmt sie Tom schließlich zu sich nach Hause. Am liebsten würde sie ihn irgendwo abstellen und ihrer Wege gehen. Wobei das Schlimmste ist, dass Tom ihr das gar nicht übelnimmt. Er wird nie laut oder ärgerlich – es sei denn, sie will das. Ansonsten nutzt er ihre Irritationen ein ums andere Mal nur dazu, sich zu optimieren, soll heißen: sich noch besser an ihre Wünsche anzupassen.

Dan Stevens, der sich schon mit »Downton Abbey« das Image eines Traummanns zulegte, spielt den Roboter mit englischen Akzent und einer steifen Umständlichkeit, die zunächst wie ein plumper Versuch der Maschinen-Imitation wirkt, mit der Zeit aber überraschenden Charme entwickelt. Seinem Spiel ist es zu verdanken, dass die großen Fragen, die Schrader durch ihre Mensch-Maschinen-Parabel hindurch stellt, nie überladen oder pathetisch wirken. So findet die Regisseurin zu einer Melancholie, die mit angemessener Skepsis auf die programmierte Liebe schaut, ohne sie zu verteufeln.

Wie es der historische Zufall will, spielt auch der zweite deutsche Film im diesjährigen Berlinale-Wettbewerb (von insgesamt 15 Filmen stammen vier von deutschen Regisseuren und Regisseurinnen) im sommerlichen Berlin, nur dass es sich bei Dominik Grafs »Fabian oder Der Gang vor die Hunde« nicht um die nahe Zukunft, sondern die nicht allzu ferne Vergangenheit handelt. Graf hat Erich Kästners im Jahr 1931 spielenden Roman um den Germanisten Jakob Fabian für die große Leinwand adaptiert, so fiebrig-atmosphärisch, so stimmungsvoll und präzise einen Zeitgeist einfangend, dass er prompt zum ersten Bären-Favoriten aufstieg.

Mit Tom Schilling hat Graf eine Idealbesetzung für den Großstadtroman gefunden. Ganz ähnlich wie im schwarz-weißen Berlin-Filmhit »Oh Boy!« wandelt Schilling als höflicher Zyniker durch die Stadt, beobachtet, duldet, greift immer ein bisschen zu wenig ein. Dann verliebt er sich in Cornelia (Saskia Rosendahl), die zum Film will, aber was schön beginnt, wird bald schmerzhaft. Währenddessen versinkt Fabians Freund Labude (Albrecht Schuch) mehr und mehr im Berliner Sündenpfuhl.

Graf filmt die Geschichte mit rastloser Kamera und einer Ästhetik, die sich so unmittelbar wie ein Handy-Video anfühlt und zugleich das Berlin der frühen 30er wunderbar suggestiv auferstehen lässt. So passend ist die Auswahl der Orte, an denen er gedreht hat, dass gar nicht alles »original Berlin« sein muss, um zu stimmen. Und mancher gewollter Zeitfehler – an einer Stelle etwa sieht man die »Stolpersteine«, mit denen heute an getötete jüdische Mitbürger erinnert wird – entpuppt sich als raffinierte Finte, die das Heute mit dem damals verbindet. Mit drei Stunden Laufzeit wird »Fabian« es auch im Post-Corona-Kino nicht leicht haben, sein Publikum zu finden. Trotzdem ist die Vorfreude auf die Sommer-Berlinale, wenn endlich Zuschauer Filme wie »Fabian« und »Ich bin dein Mensch« entdecken dürfen, jetzt gestiegen.

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