Statisch, wortlos, und unendlich langsam

»Days« (2019). © Homegreen Films

Schlicht »Days« heißt der Film von Tsai Ming-Liang der nichts weiter will, als einen begrenzten Zeitraum für das Kino zu öffnen. Dieser umfasst dabei nicht mehr als zwei Tage und eine Nacht. Zwei Männer beginnen ihren jeweiligen Tag auf ganz eigene Weise. Der eine sitzt vor der Glasfront seines Hauses und schaut dem Regen zu, der andere kocht traditionelle Speisen auf einem kleinen Holzkohleofen im Treppenhaus. Jung und kräftig ist er, während der andere unter unbestimmbaren Schmerzen leidet, die er im Laufe des Tages auf ganz unterschiedliche Weise zu kurieren versucht. Am Abend dann treffen sich beide in einem Hotelzimmer und aus einer intensiven Massage wird eine erotische Begegnung, die beide nicht kalt läßt. Für eine Nacht vergessen sie, was das Leben für sie bereit hält, gefangen in einer kleinen Melodie aus einer Spieluhr.

Der Film ist dabei fast wortlos, es gibt keine Dialoge und auch keine Untertitel. Die Kamera ist bis auf wenige Szenen statisch, verharrt minutenlang auf der selben Stelle und schaut zu. Manchmal bewegen sich die Dinge in ihrem eigenen Raum, so als wäre die Kamera gar nicht da. Dann wieder passiert so gut wie nichts, aber das Bild bleibt bestehen. Jede Geschwindigkeit, die die Straßen von Bangkok bestimmt, verschwindet aus diesem Film. Es ist, als wolle er uns lehren, wie man zuschaut, wie man in den Bildern, die man längst erfasst zu haben glaubt, neue Dimensionen entdeckt. Man fühlt sich ein wenig wie in der Schule und würde dabei gern mal aus dem Fenster schauen. Lediglich die gnadenlose Schwärze des Kinosaals lässt das nicht zu. Der Film ist über zwei Stunden lang und wäre spielend mit der Hälfte ausgekommen. Seine Geschichte ist einfühlsam erzählt, aber er dehnt die Szenen derart, dass Widerwillen die Empathie durchkreuzt. Es ist ein Film, der sich an den ästhetischen Rändern bewegt, dort wo der Platz geringer wird. Und er ist eben nicht der Erste und schon gar nicht der Einzige, der Zeiterfahrung mit einer absichtsvollen Langsamkeit der Bilder verbindet. Der in seiner Ästhetik viel radikalere philippinische Regisseur Lav Diaz zum Beispiel, dessen handlungsarme Filme gern schonmal 8 Stunden dauern. Immer schon hat das experimentierfreudige Forum solche Filme bei der Berlinale gezeigt und einem erstaunten Publikum nahegebracht. Dieter Kosslik holte Lav Diaz in den Wettbewerb, wo er sicher nichts zu suchen hatte. Ebensowenig wie Tsai Ming-Liang mit seinem »Days«. Am Morgen verließen viele Kollegen die Pressevorführung, die meisten mit einem Schulterzucken.

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