Retrospektive: »Uchujin Tokyo ni arawaru« (Die Außerirdischen erscheinen in Tokio, Japan 1956)

plus Vorfilm »Hyakunen-go no aruhi« (Ein Tag in 100 Jahren, Japan 1933)
»Die Außerirdischen erscheinen in Tokio« (1956). © KADOKAWA CORPORATION 1956

Die Wissenschaft muss sich zu 100 Prozent sicher sein, sonst ist ein Phänomen nicht Wirklichkeit. Doch die Anzeichen mehren sich: Die Lichter flackern, die Radiosender sind gestört, es gibt Meldungen von Ufa-Sichtungen, und da sind diese seltsamen Monster im Wasser… Irgendwann muss auch der Professor des Observatoriums anerkennen, was der Filmtitel schon ankündigt: »Die Außerirdischen erscheinen in Tokio«!

Diese Aliens erleben wir auch alsbald live: Es sind seesternförmige Wesen mit großem, leuchtenden Auge in der Körpermitte, die sich so verständigen, dass wir japanische Schriftzeichen-Seitentitel brauchen. Und sie wundern sich, dass die Erdlinge vor ihnen erschrecken, als wären sie hässliche Ungeheuer, dabei müssen sich doch vor allem mal die Erdbewohner im Spiegel ansehen, so ein grässlicher Knubbel mitten im Gesicht! Ja, der Film hat Humor, das muss er auch haben, weil er sonst recht lächerlich wäre. Diese Gefahr fängt er auf, wie es sein muss, indem er dem Auslachen den Wind aus den Segeln nimmt. Die Aliens haben sich blaue Betttücher umgenäht!

Es ist halt alles bunt und billig, aber die Botschaft ist ernst: Denn die Außerirdischen kommen nicht, um die Erde zu unterwerfen. Der Professor befürchtet genau dies, drückt seine Besorgnis beim Urlaub in den Bergen aus, zu idyllischer Musik wird der Untergang der Welt diskutiert – aber die Außerirdischen sind lernfähig. Sie erscheinen nun nicht mehr als Monster, sondern so, dass die Menschen sie akzeptieren: Im raumschiffeigenen Transformator opfert sich einer, zeigt Mut zur Hässlichkeit und verwandelt sich in eine populäre Revuetänzerin. Der Prof und seine Mitarbeiter finden sie, und alsbald kommt sie ihnen merkwürdig vor: Beim Tennis kann sie so übermenschlich hoch hüpfen, und Fingerabdrücke hat sie auch keine. Außerdem erkennt sie die Formel für Urium 101 sofort und zerreißt sie: Das ist so gefährlich, das Zeug! Irgendwann gibt sie sich zu erkennen als Bewohnerin des weit, weit entfernten Planeten Paira, da hat man Urium schon lange hinter sich. Eindringlich warnt sie (und der Film) vor den Gefahren der Atomwaffen, anders, als im offiziellen Retro-Programmheftchen angegeben, wo vom »Vertrauen in die heilbringenden Kräfte von Atombomben« die Rede ist.

Nein: Regisseur Koji Shima warnt ausdrücklich, und endlich wissen wir auch, warum die Außerirdischen in Japan landen: Das ist das einzige Land, das die außerirdische Botschaft verstehen wird, hat es doch elf Jahre vor dem Filmdreh einen Atomkrieg durchstehen müssen! Die Atomwaffen müssen weg, Urium 101 darf nicht hergestellt werden, zumal es mit Orium eine unschädliche Alternative gibt, die die Menschen freilich erst noch entdecken müssen… Eine zweite Botschaft haben die Außerirdischen auch: Ein riesiger, rotglühender Planet namens »R« rast auf die Erde zu, in 90 Tagen wird die Kollision erfolgen. Es sei denn, alle Nationen der Erde werden ihre Atomwaffen alle, alle auf diesem Planeten explodieren lassen, damit wäre auch das nukleare Rüstungsproblem auf Erden gelöst.

Das Problem sind die Regierungen der Erde und der Weltenrat, die glauben nicht an die Außerirdischen und an den Planeten »R«, bis dessen Existenz am Himmel nicht mehr zu leugnen ist angesichts von Sturm und Flut und enormer Hitze. Und dann der GAU: Die Atomwaffen auf der Planetenoberfläche nützen gar nichts, und fast ist es zu spät zur »Last Second Rescue«!

Ein herrlicher Spaß ist dieser Film, und natürlich schon wieder ein pazifistischer Science-Fiction, so dass wir fast nicht mehr an Zufall glauben: das »Himmelsschiff« mit seiner Friedensutopie, die »Briefe eines Toten« als Bebilderung der menschengemachten Apokalypse, und jetzt die Abschaffung der Atomwaffen und die ausschließlich friedliche Nutzung der Kernkraft mit Japan als Welt-Anführer…

Sie sind schon goldig, die Japaner. Das unterstreicht auch der wunderbare Vorfilm, den uns die Retrospektive als Bonus kredenzt: »Ein Tag in 100 Jahren« von Shigeji Ogino aus dem Jahr 1933: Einfache Silhouetten-Animation erzählt die Geschichte eines Mannes, der 2032 wiedererweckt wird, nachdem er 1942 im großen Krieg gestorben ist. Ihm werden die Wunder 100 Jahre nach Entstehtung des Films gezeigt: Ein Zauberfernseher, der in Zukunft und Vergangenheit blicken kann, ein Farbwechsler, mit dem man die Färbung seiner Kleider ändern kann – damit hat man in der Zukunft aber so oft rumgespielt, dass es langweilig wurde, deshalb hat man sich für schwarz-weiß entschieden… Was ein schöner Gag in diesem Schwarzweiß-Stummfilm! Eine Art Magnetschwebebahn mit 800 mph Geschwindigkeit gibt es auch, die führt nach Central City, ehemals Tokio, und dort gibt es gar die Möglichkeit eines Marsfluges. Eine Rakete mit Kompass im Weltall fliegt an diversen Planeten vorbei, erreicht den Mars aber nicht, weil die Instrumente verrückt spielen: Ein Geist aus der Vergangenheit sollte nicht zum Mars, sondern in Buddhas Paradies.

Herrlich. Sehr lustig. Und so was von passend zu den lieben Außerirdischen vom Planeten Paira, über den man sich so leicht lustig machen könnte, wenn man wollte.

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