Ein Countdown
Ohne Zweifel gehört „One Battle after Another“ zu den Filmen, die in diesem Jahr die höchsten Erwartungen wecken. Dabei stand Ende Januar noch nicht einmal sein Titel fest. Schon im Vorfeld galt er als Oscar-Favorit und die US-Kritiker, die ihn tatsächlich schon gesehen haben, geben ihm Bestnoten.
Die Filme von Paul Thomas Anderson haben so eine Aura. Sie riechen nach Prestige und sehen auch immer entsprechend aus. Er hat zwar nicht aufgehört, zwischendurch auch „kleine“ Filme zu drehen. „Licorice Pizza“ schloss vor drei Jahren an den vertraulicheren Modus von „Puch-Drunk Love“ und seinem Debüt „Hard Eight“ (Last Exit Reno) an. Aber Ereignisse sind seine Arbeiten immer. Auch in den hiesigen Feuilletons werden sie wohl Chefsache sein. „One Battle after Another“ eilt die Fama voraus, ein „politischer“ Film zu sein. Das könnte im aktuellen Klima ein Risiko sein. Thomas Pynchons Vorlage „Vineland“, auf die Anderson sich wohl nur vage bezieht, spielt im Jahr der Wiederwahl Ronald Reagans (1984). Andersons erster in der Gegenwart angesiedelte Film seit Jahrzehnten kommt neun Monate nach Trumps zweitem Amtsantritt heraus.
Für Warner Bros steht eine Menge auf dem Spiel. Das Budget beträgt in etwa das Doppelte, was Andersons erfolgreichste Arbeit „There will be Blood“ weltweit eingespielt hat (77 Millionen Dollar). Analysten vermuten, dass „One Battle after Another“ die staunenswerte Glückssträhne des Studios („Sinners“, Weapons“ etc.) beenden und sich an den Kinokassen trotz Leonardo di Caprio in der Hauptrolle wohl nicht rentieren wird. Dass muss der Studioleitung klar gewesen sein. Wie schön, dass es hier nicht nur um Geld geht. Der Vertrieb des Films dürfte überdies kostspielig sein, da er in gleich mehreren Formaten startet (https://www.indiewire.com/features/craft/how-to-watch-one-battle-after-another-vistavision-1235151416/). Warners scheuen auch diesen Aufwand nicht, um einen ziemlich waschechten Autorenfilm herauszubringen.
Anderson hat sein neuester Werk in VistaVision gedreht, jenem erloschenen Format, das mit „The Brutalist“ eine spektakuläre Renaissance erlebte. (Als ich mich am 25. Januar im Eintrag „Comeback der Jahrhundertmitte“ damit beschäftigte, war sein Film noch mit dem Titel „The Battle of Baktan“ angekündigt.) Dem „Indiewire“-Artikel ist zu entnehmen, dass Berlin zu den ganz wenigen Städten außerhalb der USA zählt, wo er in 70-mm-Projektion zu sehen ist. Darin werden der Zoopalast und das Delphi aufgeführt. In Letzterem läuft er ab Mittwoch, also am Vorabend des offiziellen Kinostarts, für gut eine Woche (zum Premiumpreis) in diesem Format. Die Yorck-Gruppe, zu der das Delphi gehört, hat das Berliner Publikum schon mit einer Reihe der neun vorangegangenen Werke Andersons auf diesen Termin eingestimmt. So schön kann man für einen Regisseur den Roten Teppich eben auch ausrollen! Wie Sie dem Vermutungsgestus dieses Textes anmerken, habe ich „One Battle after Another“ noch nicht gesehen. Die hiesige Pressevorführung am letzten Freitag konnte ich nicht wahrnehmen. Wohlweislich habe ich seither keine Kollegin und keinen Kollegen nach ihrem Eindruck befragt. In „Energie“ (vom 8. 2. 2022) stellte sich bereits heraus, dass Anderson in 70mm stets für eine Überraschung gut ist.
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