Der Prinzgemahl

Der vor zwei Tagen im begnadeten Alter von 99 Jahren verstorbenen Duke of Edinburgh hat in all den Jahren nie aufgehört, mich zu überraschen. Das fängt mit seiner Herkunft an: Prince Philip wurde in Griechenland geboren und ist nebenbei irgendwie auch Däne. Als ich in einem TV-Nachruf ein längeres Interview mit ihm sah, war ich verblüfft, wie akzentfrei und fließend er Deutsch sprach.

In einer Reihe von Nachrufen wird dieser Kosmopolit von Geburt, Stand und wohl auch aus Neigung mit der allerdings sehr britischen Lebensbilanz zitiert, er habe seinen Teil beigetragen. Wie man den Sinn dieses Beitrags einschätzt, hängt in großem Maße davon ab, ob man Monarchist ist oder nicht. Auch wenn man zum zweiten Lager zählt, wird man nicht bestreiten, dass er als Ehemann in über 70 Jahren bewundernswerte Ausdauer, Loyalität und intuitive Diskretion bewiesen hat. Geduld darf man ihm auch unterstellen. Womit ich beinahe schon beim Thema dieses Eintrags wäre.

Als Gatte von Elizabeth II musste er jahrzehntelange auch der „Royal Command Performance“ beiwohnen, einem unverhofft cinéphilen Brauch des Hauses Windsor. Sie findet seit 1946 statt (allerdings adelte das Königshaus bereits im Jahre 1896 eine erste Filmvorführung mit seiner Anwesenheit) und ist meist staatstragenden, patriotischen und oder ansonsten prestigeträchtigen Filmen vorbehalten. Dass der erste derart gewürdigte Film „A Matter of Life and Death“ (Irrtum im Jenseits) von Powell und Pressburger war, adelt wiederum dieses Ritual durch Kennerschaft. Gewiss, das war noch vor Philips Zeit. Aber auch er hatte mitunter Glück bei der Filmauswahl (zuletzt beispielsweise bei „1917“ und „Spectre“), und die Vorführungen dienten immer einem wohltätigen Zweck. Ob er dabei zu einem leidenschaftlichen Filmkenner geworden ist, kann ich aus der Ferne natürlich nicht beurteilen. (Ich glaube, in „The Crown“ spielt das aber sehr wohl eine Rolle.) Falls er es war, was mag er von John Cromwells Darstellung in „The Queen“ gehalten haben, der einen Philip spielt, der nach dem Unfalltod von Lady Diana deren Söhne auf andere Gedanken bringen will, in dem er sie auf die Jagd mitnimmt?

Aus erster Hand weiß ich freilich, dass er bei dem Ritual der „Royal Command Performance“ zuweilen mehr als nur seinen Beitrag leistete. Bevor ich dazu komme, kurz noch eine erhellende und erfreuliche Anekdote aus dem Buckingham Palace, die mit einem anderen Medium zu tun hat. Im Dezember 1954 strahlte die BBC die erste Adaption von „1984“ aus, die für einige Kenner (darunter der befreundete Kollege, der mir diese Geschichte erzählte) noch immer die beste des Romans von George Orwell ist. Sie war ein Skandal und muss das Publikum enorm verstört haben, insbesondere die Szenen, in denen Winston Smith gefoltert wird. Damals wurden BBC-Fernsehspiele zuerst am Donnerstagabend gezeigt und am darauffolgenden Sonntag wiederholt. Der Kritiker der Londoner „Times“ war empört und verlangte die Absetzung der Wiederholung. Am Samstag jedoch erschien in der Zeitung ein Leserbrief, den Queen Elizabeth gezeichnet hatte und in dem sie ihren Untertanen versicherte, ihr Ehemann und sie hätten am Donnerstag einen außerordentlichen, ja vorzüglichen Fernsehabend verbracht. Selbstverständlich lief die Wiederholung am nächsten Tag.

Nun aber zu den „Royal Command Performances“, bei denen sich Prince Philip besonders auszeichnete. Im Dezember 1961 fand sie im Londoner Metropole Theatre statt. Es lief „El Cid“ mit Charlton Heston und Sophia Loren. Meine Freundin Norma Barzman, die immer mal wieder in diesem Blog in Erscheinung tritt, hatte gemeinsam mit ihrem Mann Ben am Drehbuch mitgewirkt. Da sie als Kommunisten auf Hollywoods Schwarzer Liste standen, wurden sie im Vorspann nicht genannt. In Ihrer Autobiographie „The Red and The Black List“ schreibt sie über diesen denkwürdigen Abend. Nach der Vorführung gratulierte ihnen Prince Philip. Er wusste nicht nur, dass sie ohne Credit an dem Film mitgearbeitet hatten, sondern auch, dass die Drehbucharbeit sehr schwierig gewesen sein musste. Warum sei er, wollte der Prinzgemahl wissen, trotzdem so gut geworden? Die Pointe von Normas Erzählung ist, dass Sophia Loren hinzukommt und sagt: „Es hilft, wenn man die Hilfe eines so großen Autors wie Corneille hat!“ Dessen berühmtes Drama „Le Cid“ hatte durchaus Pate gestanden. Natürlich stimme ich Ihnen zu, dass eine Pointe, die man erklären muss, keine ist. Aber ist es nicht schön, dass sie davor von der Höflichkeit der Könige bestand? Man verzeiht den Royals ja so viel, wenn sie sich aufmerksam geben oder zumindest vorher gut informiert wurden.

Aber das ist auch noch nicht das Ende der Geschichte. Vier Jahre später begegneten sich die Beteiligten wieder; diesmal ohne Sophia Loren. Nun feierte das Widerstandsdrama „The Heroes of Telemark“ (Kennwort Schweres Wasser) seine britische Premiere in Anwesenheit des Königspaars. Und wieder erschien Prince Philip, um den Drehbuchautoren die Hände zu schütteln. „Ein schöner Film“, sagte er mit großer Überzeugungskraft und fügte lächelnd hinzu: „Ich freue mich, dass diesmal ihr Name im Vorspann steht.“

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