I must be dreaming

Honor Blackman als Pussy Galore in »Goldfinger« (1964)

Einer der erfreulicheren Einfälle in »Ein Quantum Trost« ist ja, dass er wenige Minuten nach dem Ende von Daniel Craigs erstem Bond-Abenteuer einsetzt. Ich mochte diesen Moment der grimmigen Kontinuität, der das Format öffnet, in dem er den Bondschen Bildungsroman unmittelbar fortschreibt.

Diesen Kunstgriff wendet auch Anthony Horowitz im offiziellen neuen Bond-Roman »Trigger Mortis« an: Er beginnt zwei Wochen nach dem Tod von Auric Goldfinger. Derlei Tribute an die Unsterblichkeit literarischer oder filmischer Ikonen sind kein sicheres Glücksversprechen. Der allerorten gelobte Philip-Marlowe-Roman von Benjamin Black hat mir unlängst vor Augen geführt, dass es ein zwiespältiges, jedenfalls kein reines Vergnügen sein muss, wenn ein Autor mit der Stimme eines anderen spricht. Andererseits sind einige der von Ian Flemings Erben autorisierten Nachfolger ziemlich gelungen, etwa Kingsley Amis' »Colonel Sun« oder zuletzt »Solo« von William Boyd. Meine Begeisterung über Horowitz' Sherlock-Holmes-Romane hielt sich in Grenzen; amüsiert hat mich die Lektüre gleichwohl. Und für »Trigger Mortis« spricht, dass er dem zweifellos faszinierendsten Bond-Girl ein Nachleben schenkt: Pussy Galore. 

Der Roman erscheint erst am 8. September und obwohl über so etwas bestimmt ein Embargo verhängt wird, erschien heute im »Independent« bereits eine erste Kritik. Eigentlich ist es keine richtige Kritik, eher ein Ausblick, ein Appetitanreger. Wie es scheint, ist Pussy doch nicht gegen Bonds Charme immun, sondern bei ihm eingezogen. Wird er diese Nähe zulassen? Offenbar verdrießt es ihn schon nach so kurzer Zeit, dass sie genau weiß, wie er seine Eier am liebsten isst. Wir werden sehen. Auf jeden Fall trifft es sich prächtig, dass heute Honor Blackman, die Pussy seinerzeit in »Goldfinger« spielte, Geburtstag feiert. Man mag es nicht glauben, aber sie wird 90. Sie ist eines von zwei Bond-Girls, die während der Dreharbeiten älter als Sean Connery waren. 

Mit dem zweiten, Diana Rigg, hat sie gemeinsam, dass sie durch »Mit Schirm, Charme und Melone« berühmt wurde. Insgeheim ziehe ich ihre Catherine Gale sogar deren Karate-Emma vor. Sie war ihre mindestens ebenso wehrhafte und ein gutes Stück undurchsichtigere Vorgängerin. Die in der Serie erlernten Kampfkünste kamen ihr bei der Balgerei mit Connery im Heu immens zupass; tatsächlich hat Blackman Mitte der 60er ein auch auf deutsch erschienenes Handbuch über weibliche Selbstverteidigung verfasst. Die Fanpost, die sie während ihrer Zeit als Patrick McNees Partnerin erhielt, wollte ihr der PR-Agent anfangs gar nicht aushändigen, denn die glühendsten Verehrerbriefe stammten von Frauen. Diese schillernde Erotik kommt auch in »Goldfinger« zum Tragen, wo sie nicht nur als persönliche Pilotin des schurkischen Multimillionärs fungiert, sondern auch eine Organisation lesbischer Verbrecherinnen anführt. 

Ihr erster Auftritt ist genial. Bond erwacht aus einer Ohnmacht und nimmt sie zunächst nur als unscharfe Kontur wahr. »Who are you«, fragt er die Erscheinung. »My Name is Pussy Galore« antwortet sie mit rauer Stimme, worauf einer der schönsten Bond-Einzeilern folgt: »I must be dreaming«. Es braucht schon eine gestandene Komödiantin von robuster Ironie, um diesen Rollennamen tragen zu können. Zum Träumen hat sie eine mindestens eine Generation gebracht in diesem Moment; gewiss auch, weil 007 kein leichtes Spiel mit ihr hat. Im Roman, so war im »Independent« zu lesen, ist sie noch für einige Überraschungen gut – nicht nur, was ihre sexuelle Orientierung angeht. 

Schade, dass Blackman ihren Bond-Ruhm in keine große Filmkarriere ummünzen konnte. Das ist weniger ihre Schuld, als die der britischen Filmindustrie. Ihre Filmographie umfasst seit 1948 zwar über 100 Titel, aber das sind meist Fernseharbeiten. Einen ihrer tollsten Leinwandauftritte hatte sie vor »Goldfinger«: als Hera in dem prächtigen Sandalenfilm »Jason und die Argonauten«, wo sie fast so gut war wie die Musik von Bernard Herrmann und die Stop-Motion-Tricks von Ray Harryhausen. Und ich muss gestehen, dass mir ihre Badesezene in »Kampf um Rom« beträchtliche pubertäre Wonnen verschaffte. 

Die schönsten Rollen, die ich seither von ihr kenne, hatte sie im Fernsehen. In »Alter schützt vor Torheit nicht« ist sie eine großartige Gegenspielerin von Inspektor Columbo. Zusammen mit Richard Basehart gibt sie dort ein überdrehtes Schauspieler-Paar, das auch vor Mord nicht zurückschreckt, um ihren »Macbeth« auf die Bühne zu bringen. Ein ganz unbritischer, manischer Überschwang ist da zu spüren, den ich Jahrzehnte später noch einmal an ihr in einer Folge von »Inspector Barnaby« entdeckte. Da spielt sie, 40 Jahre nach ihrem Bond-Auftritt, eine hinreißend schöne, vergnügte Hedonistin, die auch im Rentenalter noch gern über die Stränge schlägt.Früher war sie wohl mal Rennfahrerin. Wann bekommt man schon mal eine britische Schauspielerin zu Gesicht mit einer solchen Gabe, sich hinreißen zu lassen. Wenn ich mir aktuelle Fotos mit Honor Blackman anschaue, muss ich sagen: Sie war nie ein Girl, sondern immer im besten Frauenalter.

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