Amazon: »Étoile«

»Étoile« (Serie, 2025). © Philippe Antonello / Amazon MGM Studios

© Philippe Antonello / Amazon MGM Studios

Verneigung vor dem Tanz

Unter den Serienschöpfern ist Amy Sherman-Palladino einer der seltenen Namen, deren Handschrift man erkennt. Selbst wer nur wenige Folgen von »Gilmore Girls« oder »The Marvelous Mrs. Maisel« gesehen hat, wird aus den Dialogen der Prime-Video-Serie »Étoile« heraushören können, wer hier geschrieben bzw. das Schreiben beaufsichtigt hat. Es wird stets viel und schnell geredet, es werden gängige und abseitige Referenzen auf popkulturelle Phänomene eingestreut und insbesondere bei den Frauen handelt es sich um anstrengende Figuren, die einen im realen Leben nerven würden, aber weil ihre Serienumgebung sie zu lieben scheint, tut das schließlich auch der Zuschauer. Sei es die beschauliche Kleinstadt in »Gilmore Girls« oder die Clubbühnen von »Mrs. Maisel«, stets wirken die Welten, die um die Figuren herum kreiert werden, hochartifiziell. Aber weil ihre idiosynkratischen, sturen, leidenschaftlichen Charaktere stets stolpern und scheitern und für ihre Erfolge viel durchstehen müssen, empfindet man diese künstlichen Welten doch auch wieder als anrührend real.

Letzteres hat damit zu tun, dass Sherman-Palladino die Milieus, in denen sie ihre Shows ansiedelt, sehr gut kennt. Ihr Vater war Comedian und ihre Mutter Tänzerin, sie selbst hat als Kind und Jugendliche klassisches Ballett trainiert und dann später im Writer's Room der Sitcom »Roseanne« angeheuert.

Wie schon »Bunheads«, die leider 2013 nach nur einer Staffel gecancelte Serie, die viele für Sherman-Palladinos beste halten, ist »Étoile« im Ballettmilieu angesiedelt, diesmal aber gewissermaßen ganz oben: Die Serie setzt da ein, wo die Ballettabteilungen des Lincoln-Centers in New York und die der Pariser Oper einen besonderen Handel miteinander eingehen, um sich dem Zuschauerschwund nach Covid entgegenzustellen. Die beiden Häuser vereinbaren einen prominenten Austausch ihrer Kräfte, der Publikums-Stunt soll Publicity generieren.

Für die Serie entsteht dadurch erst mal eine gewisse Unübersichtlichkeit. Der Plot wechselt nicht immer nachvollziehbar zwischen Paris und New York hin und her, man hat eine gewisse Mühe, mit den vielen Figuren der zweiten Reihe vertraut zu werden. Keine Schwierigkeiten bereiten in dieser Hinsicht die vier, fünf Gestalten, die das Zentrum bilden. Da wäre zum einen Jack (Luke Kirby, der in »Mrs. Maisel« einen sehr charmanten Lenny Bruce gab), Leiter des New Yorker Balletts, und sein französisches Gegenstück Geneviève (Charlotte Gainsbourg), zwischen denen eine willkommene Spannung entsteht. Aus Paris zurück in die USA kommt Primaballerina Cheyenne (Lou de Laâge), während Starchoreograf Tobias (Gideon Glick) sich nach Paris versetzt findet, ohne dass ihn jemand nach seinem Willen gefragt hätte.

Der Plot ist oft etwas sperrig, aber wer auch nur ein bisschen ballettaffin ist, wird es genießen, dass diese nischige Welt hier mit so viel Liebe und Respekt vor dem Engagement aller Beteiligten vorgeführt wird.

OV-Trailer

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