Interview mit Amy Sherman-Palladino über »The Marvelous Mrs. Maisel«

»The Marvelous Mrs. Maisel«: Staffel 1 (2017). © Amazon

»The Marvelous Mrs. Maisel«: Staffel 1 (2017). © Amazon

Die Gilmore Girls haben ihren Namen zur Marke für schnell, viel und witzig daherredende Frauen gemacht

epd Film: Mrs. Sherman-Palladino, wie kommt man darauf, eine Serie über eine jüdische Hausfrau drehen zu wollen, die in den 1950er Jahren zur Stand-up-Komikerin wird?

Amy Sherman-Palladino: Mein Vater war Stand-up-Komiker, deswegen bin ich sozusagen am Rande dieser Welt aufgewachsen. Sein halber Freundeskreis bestand aus Komikern; im Wohnzimmer liefen statt Musik meistens Aufnahmen von Mel Brooks oder Carl Reiner. Das hat sich bei mir festgesetzt.

Hätten Sie nicht auch Ihren Vater als Protagonisten wählen können?

Klar, aber warum sollte ich? So spannend war sein Leben dann auch wieder nicht, und es gibt schon genug Geschichten über männliche Komiker. Ich hatte Lust, von einer Frau zu erzählen. Und zwar von einer, die das Gegenteil dessen ist, was uns sonst meist präsentiert wird, wenn es um Hausfrauen in den Fünfzigern geht. Also kein unterdrücktes, domestiziertes Weibchen, das für die perfekte Oberfläche sorgt und darunter langsam abstirbt. Sondern eine wirklich glückliche Person, die alles hat, was sie sich wünscht, und ihr Leben fabelhaft findet. Bis ihr eben der Boden unter den Füßen weggezogen wird – und sie als Konsequenz eine ganz neue Seite an sich entdeckt.

Da muss man an Komikerinnen wie Joan ­Rivers denken, die zu einer ähnlichen Zeit ihre Karriere begann ...

»The Marvelous Mrs. Maisel« soll weder die Geschichte einer berühmten Komikerin nacherzählen, noch ging es mir um ein Porträt der Stand-up-Szene jener Zeit. Es war schon ganz konkret meine eigene Schöpfung, meine Midge Maisel, von der ich erzählen wollte. Wobei ich nicht leugnen kann, dass Joan Rivers jemand ist, der großen Einfluss auf mich hatte, ganz allgemein. Die Frau war ein Genie.

Spannend an der Serie ist auch, wie dezidiert jüdisch die gezeigte Welt ist. Was interessierte Sie daran so sehr?

Für mich sind Comedy und Judentum einfach untrennbar miteinander verbunden. Dieser Rhythmus, mit dem auf der Stand-up-Bühne die Pointen landen, ist sehr New York – und sehr jüdisch. Zumindest der, den ich im Ohr habe. Natürlich will ich nicht so weit gehen und behaupten, dass wir Juden die Comedy erfunden haben. Aber es ist schon sehr unser Ding: davon erzählen, wie furchtbar unser Leben ist, und dann kommt ganz beiläufig ein Gag.

Berühmt wurden Sie mit den »Gilmore Girls«, doch es gab in Ihrer Karriere auch schon Flops, etwa »The Return of Jezebel James« mit Parker Posey, die nach drei Folgen abgesetzt wurde. Wie geht man mit so etwas um?

Mein Mann und ich haben vor langer Zeit beschlossen, dass wir nur noch Sachen machen, die wir aus vollstem Herzen lieben. Das macht die Arbeit erfüllender, aber das Scheitern eben auch viel herzzerreißender. Dass unsere Serie »Bunheads« 2013 nach der ersten Staffel nicht fortgesetzt wurde, habe ich bis heute nicht überwunden.

Haben Sie je darüber nachgedacht, auch fürs Kino zu arbeiten?

Ich weiß nicht, ob es Ihnen schon mal zu Ohren kam, aber es ist heutzutage verdammt hart, einen Kinofilm auf die Beine zu stellen. Und als Frau ist es doppelt hart. Wir haben immer mal wieder Ideen gehabt. Aber noch viel mehr als zu Beginn unserer Karriere sind es heutzutage eben Serien und nicht Filme, wo man sich als Geschichtenerzähler richtig ausleben kann. Im Kino hat niemand Interesse an interessanten Figuren und komplizierten Frauen. Da sucht man Superhelden, keine Mrs. Maisel.

Weil Sie gerade betonen, dass Filmemachen für Frauen doppelt schwierig ist: Gilt das für Fernsehen nicht?

Alles ist als Frau schwieriger, so funktioniert unsere Welt eben bislang. Und auch beim Fernsehen kann natürlich nicht von völliger Gleichberechtigung die Rede sein. Aber wenn ich mir Kolleginnen wie Diane English oder Shonda Rhimes anschaue, dann habe ich schon den Eindruck, dass wir hier viel früher viel mehr Chancen bekommen haben. Beim Kino scheint man noch viel mehr in Klischeevorstellungen verfangen sein. Da denken einige immer noch, Frauen könnten nur Geschichten mit vielen Blumen, kleinen Hunden und am besten einem Pferd drin erzählen. Es kotzt mich an, dass man uns keine Action und nichts mit echtem Wumms zutraut. Aber ich hoffe, dass der Erfolg von »Wonder Woman« vielleicht zu einem Umdenken führen wird.

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