DVD-Tipp: »The Wicker Man« (1973)

The Wicker Man« (1973)

The Wicker Man« (1973)

Der Ursprung des Horrors

Auf der Suche nach einem verschwundenen Mädchen kommt ein britischer Polizist auf eine entlegene schottische Insel, wo ihn die Gebräuche der Einwohner zutiefst irritieren. Erst ganz am Ende begreift er, welche Rolle ihm dabei zugedacht ist. Puritanisches Christentum gegen heidnische Riten: »The Wicker Man« siedelt seinen Schrecken in einer frühlingshaften Landschaft an, deren Bewohner immer wieder fröhliche Lieder anstimmen. Er oszilliert zwischen dokumentarisch nüchternen Szenen und Camp – die Frisur von Christopher Lee verortet ihn in den siebziger Jahren. Wenn man sich darauf einlässt, wird man sich seiner Faszination kaum entziehen können. 

In deutsche Kinos oder ins Fernsehen hat er es nie geschafft. In Großbritannien dagegen ist dies ein Film, auf den die Bezeichnung Kultfilm wirklich zutrifft. Was auch mit seiner schwierigen Entstehungs- und Verleihgeschichte zu tun hat, nachzulesen in Allan Browns Buch mit dem Untertitel »How not to make a cult classic«, erstmals 2000 erschienen. Am Anfang stand das Brainstorming dreier Filmschaffender: Christopher Lee (der keine Lust mehr hatte, auf die Dracula-Rolle festgelegt zu sein), Produzent Peter Snell und Autor Anthony Shaffer. Sie wollten einen zeitgenössischen Schreckensfilm drehen, dafür arbeiteten sie alle drei ohne Gage. Lee erklärte wiederholt, dies sei sein Lieblingsfilm.

Anthony Shaffer’s »The Wicker Man« heißt es im Vorspann, in späteren Jahren haben sich der Autor und Regisseur Robin Hardy entzweit, weil Shaffer der Auffassung war, sein Anteil an dem Film sei nicht ausreichend gewürdigt worden. Hardy (1929–2016) scheint von diesem Stoff geradezu besessen gewesen zu sein. 1978 veröffentlichten er und Shaffer eine Romanfassung (die deutsche Ausgabe erschien 2006 anlässlich des misslungenen Remakes mit Nicolas Cage). Aus einem weiteren Roman »Cowboys for Christ« (2006) wurde 2011 »The Wicker Tree« – ein »re-imagining« des Originals; auch von einer Fortsetzung des 1973er Films war immer wieder die Rede.

»The Wicker Man« hat einerseits etwas Singuläres in seiner Mischung aus Schreckens- und Musicalelementen (2012 wurde der Stoff auf die Bühne gebracht), zugleich hat er ein ganzes Subgenre des Horrorfilms mitbegründet, den Folk Horror, dem 2021 die britische Autorin Kier-La Janisse einen eigenen Film gewidmet hat: In »Woodlands Dark and Days Bewitched« werden in über drei Stunden Laufzeit mehr als 200 Filmbeispiele gewürdigt, neuen Auftrieb hatte die Gattung mit »The Blair Witch Project« bekommen, Ari Asters »Midsommar« wäre ohne »The Wicker Man« nicht denkbar. 

Im vergangenen April erschien eine in 4K restaurierte Fassung, insofern darf man überrascht sein, dass diese nun so bald durch eine Neuausgabe ersetzt wurde. Der Anlass waren offenbar einige, erst jetzt zugängliche Materialien, wie das Regiebuch von Hardy. Der Film selbst liegt in drei Fassungen vor: der seinerzeit veröffentlichten gekürzten Kinofassung (89 Min.), dem Director’s Cut (101 Min.) und dem 2012 erstellten Final Cut (95 Min.), der für die letztjährige Ausgabe erstmals deutsch synchronisiert wurde. Erfreulich an der Neuausgabe ist, dass neben dem Audiokommentar von Robin Hardy, Christopher Lee und Edward Woodward und den vier neuen Dokumentationen auch mehrere ältere enthalten sind, die bisher in Deutschland fehlten; »Brandopfer« gibt einen guten Überblick über die Geschichte des Films. Schade, dass neben dem Restaurationsvergleich auch der letztjährige Beitrag von Marcus Stiglegger entfallen ist, in dem er die popkulturellen Nachwirkungen würdigte. Wer nach dem Ansehen des Films einige der Lieder nicht mehr aus dem Kopf bekommt, muss für den Soundtrack auf eine teure deutsche Sonderausgabe oder auf die britische 40th Anniversary Edition zurückgreifen.


The Wicker Man GB 1973. R: Robin Hardy. Da: Edward Woodward, Christopher Lee, Diane Cilento, Britt Ekland, Roy Boyd, Aubrey Morris. Anbieter: Studiocanal.

Bestellmöglichkeit (Limited Edition)

 


 

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