Buch-Tipp: Robert Zion – Fritz Lang in Amerika

Aufgeklärt

Viele von Fritz Langs Werken aus der Weimarer Republik sind kanonisch geworden und werden hierzulande häufig wiederaufgeführt, allen vo­ran »Die Nibelungen«, »Metropolis«, »M« und die Mabuse-Filme. 

In den USA wurde auch die Bedeutung von Langs Exilwerk von Andrew Sarris und Peter Bogdanovich früh erkannt, in Frankreich von den Vertretern der Nouvelle Vague. Die deutsche Filmgeschichts-schreibung hat sich mit den in den USA entstandenen Filmen schwergetan, vielleicht weil die von Artur Brauner Ende der 1950er Jahre produzierten und damals verrissenen Indien-Abenteuer den Blick auf Langs Werk getrübt haben. Lotte Eisners Studie von 1976 wurde bezeichnenderweise bis dato nicht ins Deutsche übersetzt. Vielleicht lag es auch daran, dass der Regisseur »ein schwieriger Mensch« war »und für viele kaum zu ertragen« (Peter Bogdanovich). 

Robert Zion widerspricht Rolf Giesens Aussage, Lang sei »ein halber Nazi« gewesen in vielerlei Hinsicht und beschreibt stattdessen den Übergang von den Weimarer Filmen, in denen Lotte Eisner als roten Faden Nietzsches Mythos vom Übermenschen erkannte, »der die Weltordnung umzuwerfen trachtet«, zum »Mr. Jedermann« der amerikanischen Filme, mit denen Lang zu einem »Aufklärer und Mahner« wurde. 

Der produktive Publizist und kenntnisreiche Kinogänger Zion legt seiner analytischen Auseinander-setzung mit Fritz Lang als amerikanischem Auteur ein Schema zugrunde, anhand dessen er die Gestalt der Filme, die Beziehungen zwischen Gesellschaft und Individuum herausarbeitet. Die Lektüre ist oft hartes Brot, Zion ordnet Langs Werk in einen europäischen Geisteskosmos von Spinoza über Schelling zu Benjamin ein, darunter geht nichts. Doch das Kauen lohnt sich. Die amerikanischen Filme Langs als dokumentarisch-kritisches Werk zu begreifen und als sinnfällige Fortsetzung von »M« (1931), in dem eine ­»Atmosphäre der Angst, Unruhe, Hysterie« herrscht (Lang), zugleich aber auch als deterministische griechische Tragödien, die sich »erstaunlich konsequent dem Psycho-logisierenden und Privatisierenden des Hollywoodmelodramas verweigern«, ist ein anregender Ansatz. Vielleicht wirken viele von Langs US-Filmen deshalb heute so fremd und fern. Dass es sich dabei (fast) durchweg um Klassiker des Kinos handelt, sollte nach dieser Studie niemand mehr ernsthaft in Zweifel ziehen!



Robert Zion: Fritz Lang in Amerika. 35-MillimeterVerlag für Printmedien, Saarbrücken 2023. Textband 217 S.; Bildband 109 S., 24,50 €. Auch bei Books on Demand, 2023 (Robert Zion, Werkausgabe 3). 332 S., 19,90 €.

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