Sky: »We Own This City«

»We Own this City« (Miniserie, 2022). © HBO

»We Own this City« (Miniserie, 2022). © HBO

Es liegt am System

Es ist wichtig zu wissen, dass die Geschehnisse in »We Own This City« sich tatsächlich zugetragen haben. Denn sonst würde man sie womöglich als abgedroschene B-Movie-Klischees über korrupte Cops abtun. Wir sehen da Polizisten, die im Streifenwagen durch die Straßen Baltimores gondeln, wo sie willkürlich Personen anhalten, durchsuchen und ihres Geldes berauben; Polizisten, die nach Lust und Laune unbescholtene Bürger krankenhausreif prügeln oder ihnen Drogen unterjubeln, damit sie eine Verhaftung vorweisen können. Wenn sie im Haus eines Dealers Geld finden, landet es nicht in der Asservatenkammer, sondern in den eigenen Taschen. Wir sehen die Beamten bei Einschüchterungen, Einbrüchen und Drogenhandel. Treibende Kraft bei den Taten ist der Polizist Wayne Jenkins, gespielt von Jon Bernthal. In Rückblenden wird gezeigt, dass er seine Macht schon missbraucht, bevor er 2016 zur angesehenen »Gun Trace Task Force« stößt. Dort erreicht seine kriminelle Energie den Höhepunkt. Jon Bernthal, dem trotz starker Rollen der große Durchbruch bislang verwehrt blieb, verkörpert diesen Mann als charismatisches Alphatier, als Inbegriff toxischer Männlichkeit, dessen Aura man sich jedoch nicht entziehen kann. Am Ende wurden Jenkins und einige seiner zahlreichen Kumpane zu teils hohen Haftstrafen verurteilt.

Der Journalist Justin Fenton schrieb über den Fall ein Sachbuch, das dem Serienmacher David Simon und seinem Co-Autor George Pelecanos als Drehbuchgrundlage diente. Simon wurde vor allem durch seine Serie »The Wire« berühmt, die mit dokumentarisch anmutender Nüchternheit den zermürbenden Polizeialltag in Baltimore schildert. »We Own This City« schließt gewissermaßen an diese Serie an, nur dass es hier um reale Vorgänge geht. Das Drehbuch ist von einem Detail- und Personenreichtum, der speziell in den ersten beiden Folgen hohe Konzentration fordert; verschiedene Zeitebenen machen die Sache nicht einfacher. In Verbindung mit der betont unglamourösen Inszenierung durch Reinaldo Marcus Green (»King Richard«) wirkt das Ganze zu Beginn wie eine etwas anstrengende Fleißarbeit: relevant, aber nicht mitreißend. Ab der dritten Folge, wenn alle Charaktere eingeführt und sämtliche Handlungsebenen ausgebreitet sind, gewinnt die Dramaturgie an Zug. Und dann kann man nicht mehr ausschalten.

Die Serie zeigt nicht nur die organisierte Kriminalität der Polizisten, sondern prangert auch das System an, das ihre Taten ermöglichte – und das offenbar nicht nur bei ihnen. So gab es in Baltimore hohe Verhaftungsprämien, was willkürliche Festnahmen geradezu herausforderte; Übergriffe wurden systematisch vertuscht. Ein nicht unerhebliches Maß an strafbewehrtem Verhalten betrachtete man offenbar als lässliche Sünde im großen Kampf gegen das Verbrechen. Diese Erkenntnis ist das vielleicht Schockierendste an »We Own This City«. Etwas mehr Dramatik hätte an manchen Stellen sicher gutgetan, doch einen Reißer à la »Training Day« darf man allein aus Respekt vor der Sache nicht erwarten. Die Serie wirkt nach, als Erzählung über ein letztlich ratloses Polizeisystem.

OV-Trailer

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