Paramount+: Späte Gäste

»The Offer« (Miniserie, 2022). © Paramount+

»The Offer« (Miniserie, 2022). © Paramount+

Zum Start des Streamingdienstes

Brauchen wir wirklich noch einen weiteren Streamingdienst? Ist der Markt nicht längst übersättigt und das Angebot an sogenanntem Content sowieso schon unüberschaubar groß? Dass diese Fragen im Raum stehen, wenn nun mehr als anderthalb Jahre nach dem offiziellen Start in den USA auch im deutschsprachigen Raum Paramount+ an den Start geht, weiß auch Till Weidemüller, der als Country Manager GSA für das Projekt hierzulande verantwortlich ist. »Wir kommen vielleicht spät zur Party«, sagte er kürzlich dem Branchendienst DWDL im Interview, »aber wir sind der Gast, auf den alle warten, und bringen die besten Geschenke mit«.

Wie viele Menschen tatsächlich auf Paramount+ gewartet haben (und nicht zuletzt: wie stark der Wiedererkennungswert der Marke hierzulande etwa im Vergleich zu Disney ist), wird sich noch zeigen. Doch was die Geschenke angeht, lässt sich vorab auf jeden Fall schon einmal festhalten: Zahlreich werden sie allemal sein. Denn das Programm, das zum Auftakt am 8. Dezember geboten und dann zusehends erweitert wird, fällt erfreulich üppig aus.

Dass Paramount+ der Ort sein wird, an dem man demnächst »Top Gun: Maverick« wird streamen können, versteht sich von selbst. Auch andere Produktionen des Filmverleihs aus gleichem Hause gehören zum Angebot: »The Lost City«, »Jackass Forever«, »Scream 5« – alle Paramount-Filme, die in diesem Jahr im Kino liefen, sind künftig nicht mehr nur bei Sky, sondern auch hier im Heimkino zu finden. Der eine oder andere Film feiert hier sogar exklusive Deutschlandpremiere, etwa »Ray Donovan: The Movie« oder der Animationsfilm »Rumble«. Und weil Paramount nun einmal eines der Traditionsstudios in Hollywood ist und seit 110 Jahren Filme produziert, darf man natürlich hoffen, dass – je nach neu zu sortierender Rechtelage – bald auch die Schätze des Archivs zugänglich gemacht werden.

Anders als bislang die Konkurrenz hat Paramount+ allerdings auch gleich in den ersten Wochen brandneue deutsche Eigenproduktionen am Start. Zu Weihnachten geht es los mir der von Dani Levy kreierten Serie »Der Scheich«, der auf wahren Begebenheiten basierenden Geschichte eines Hochstaplers aus dem Schwarzwald, der sich als unehelicher Sohn einer arabischen Dynastie neu erfindet. Vorab zu sehen gab es die acht Folgen mit Björn Meyer und Petra Schmidt-Schaller allerdings für die Presse noch nicht, genauso wenig wie die international besetzte Thrillerserie »Die Chemie des Todes« nach dem Bestseller von Simon Beckett, die wenig später Premiere feiern soll. Auch die Weydemann Bros, bislang für Filme wie »Niemand ist bei den Kälbern« oder »Ivie wie Ivie« verantwortlich, arbeiten bereits an einer Paramount+-Serie.

Was die US-Serien angeht, ist der Streamingdienst natürlich erst recht gut bestückt. In den USA gehört Paramounts Western »Yellowstone« mit Kevin Costner seit einigen Jahren zu den erfolgreichsten Serien überhaupt. Nicht auszuschließen, dass mit einem neuen Zuhause auch bei uns der Funken noch überspringt. Das ebenfalls von Taylor Sheridan geschaffene Sequel »1883« gibt es jedenfalls nun auch erstmals zu sehen, und demnächst folgt auch noch »1923«, der Ableger mit Harrison Ford und Helen Mirren. Aber das klassische Paramount-Franchise schlechthin ist natürlich »Star Trek«, und dass die von der US-Kritik gefeierte neue Serie »Star Trek: Strange New Worlds« nun ab 8.12. endlich mit zwei neuen Episoden pro Woche auch bei uns zu sehen sein wird, dürfte mindestens für Trekkies ein starker Anreiz sein, 7,99 Euro im Monat zu bezahlen. Auch die vier Staffeln von »Star Trek: Discovery« sowie die Animationsserie »Star Trek: Prodigy« sind gleich zum Start verfügbar.

Ansonsten ist das Angebot eine qualitativ durchwachsene bunte Mischung. Zu den Highlights gehören einerseits Produktionen, die man auch schon anderswo sehen konnte, »Work in Progress« etwa oder »Yellowjackets«. Fans von »The Good Fight« aber seien gewarnt: Die tragischerweise finale Staffel dieser famosen Ausnahmeserie ist, zumindest fürs Erste, noch nicht verfügbar, nur 1–5.

Was die erstmals in Deutschland gezeigten exklusiven Serien angeht, entpuppt sich Susanne Biers dreigleisiges Historiendrama »The First Lady« mit Michelle Pfeiffer, Gillian Anderson und Viola Davis als Präsidentengattinnen als aufwendig produzierte Enttäuschung. Auch »Mayor of Kingstown« mit Jeremy Renner – noch eine Taylor Sheridan-Serie – fällt als brutal-düsteres Unterweltdrama über eine mächtige Familie in Michigan einigermaßen flach aus.

Deutlich sehenswerter sind einige Serien, die beim US-Start unverdientermaßen ein wenig untergingen. »From« etwa ist ein atmosphärisch-cleverer Gruselthriller über eine Familie, die in einer reichlich unheimlichen Kleinstadt strandet, während der Fantasy-Zehnteiler »The Man Who Fell to Earth« vor allem durch Chiwetel Ejiofor als Alien besticht und von Folge zu Folge interessanter wird. Die starke Besetzung ist auch das Ass im Ärmel von »Super Pumped«, wo es um den Aufstieg und Fall von Uber-Mitgründer Travis Kalanick geht. Joseph Gordon-Levitt ist in der Hauptrolle überzeugend wie selten, außerdem sind Uma Thurman, Kyle Chandler, Elisabeth Shue und als Erzähler Quentin Tarantino mit von der Partie.

Eine kniffelige Angelegenheit ist dagegen »The Offer«. Michael Tolkin, der schon u.a. Robert Altmans »The Player« schrieb, erzählt darin die Entstehungsgeschichte von Francis Ford Coppolas »Der Pate«. Entstanden ist dabei eine zehnteilige Serie, die viele brillante, aber ebenso viele frustrierende Momente zu bieten hat, für Hollywood-Nerds aber natürlich Pflichtprogramm ist. Außerdem ist Matthew Goode als Produzent Robert Evans so gut wie nie – und das Thema an sich bei Paramount+ natürlich bestens aufgehoben, war doch das Studio auch schon damals involviert.

Doch zum Konzern gehören bekanntlich auch Sender wie MTV, Nickelodeon oder Comedy Central, und so verwundert es nicht, dass Weidemüller ankündigt, ein Streamingdienst für wirklich jeden sein zu wollen. Entsprechend gibt es auch Reality-Shows (unter anderem wird gerade an der deutschen Version von »RuPaul's Drag Race« gearbeitet) und natürlich jede Menge Programm für Kinder. Es würde nicht wundern, wenn ein Großteil der ersten Paramount+- Abonnent*innen genervte Eltern sein werden, die feststellen, dass die neuesten »Paw Patrol«-Folgen künftig nicht mehr bei Netflix, sondern hier zu sehen sind.

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