Mediathek: »Unseen«

»Unseen« (Serie, 2020). © ZDF / About Premium Content

»Unseen« (Serie, 2020). © ZDF / About Premium Content

Den Blicken entzogen

»Der Unsichtbare«, 1933 nach einer Vorlage von H. G. Wells auf die Leinwand gezaubert, gehörte zu den Monstren – oder nennen wir sie lieber sozial inkompatible Eigenbrötler – der Universal Studios. Neben Dracula, Frankensteins Eigenbau und dem Wolfsmenschen blieb Dr. Jack Griffin (Claude Rains) trotz großer Publikumszahlen jedoch relativ unscheinbar. 1992 geriet John Carpenter an einen verwandten Stoff. Der Regisseur zählt das Ergebnis heute zu seinen schlechtesten Filmen. Fehlende Anschaulichkeit ist halt unvorteilhaft in einem Schaumedium. Die Spezialeffekte können Staunen machen, sind aber schnell abgenutzt. Getreu ihrer Devise »Es gibt keine schlechten Geschichten. Es gibt nur schlecht erzählte Geschichten« ersann die belgische Autorin und Produzentin Marie Enthoven einen anderen Weg. Sie eröffnet mit einer Augenoperation. Victor Decondé (Luc Van Grunderbeeck), Vorreiter auf dem Gebiet der Lasertechnik, muss selbst operiert werden. Tochter Laurence soll den Eingriff vornehmen. Doch das Gerät gerät außer Kontrolle, dreht – scheinbar ohne menschliches Zutun – den Laser auf. Mit tragischen Folgen. Victor erblindet.

Enthoven hält sich mit der Erklärung des Vorfalls zurück. Es gibt noch andere Dinge zu erzählen. Während einer Autofahrt spürt Laurence einen Aufprall. Zu sehen ist nichts. Als sie anhält, liegt ein nackter Mann auf der Straße. Wenig später ist er verschwunden. Währenddessen wird ihre Tochter Lily (Elisa Echevarria) Opfer eines bösen Streichs. Ein freizügiges Video von ihr kursiert im Internet, sie ist das Tagesgespräch der Schule. Sie zieht es vor, sich dort vorerst nicht mehr blicken zu lassen. Ohne Wissen der Eltern, versteht sich. Am liebsten würde sie verschwinden. Das macht sie anfällig für falsche Versprechungen. So werden in den ersten Episoden mehrere Erzählstränge begonnen und im weiteren Verlauf mählich zusammengedröselt.

»Unseen« ist kein Fantasyspektakel, keine Monumentalserie. Die Unsichtbarkeit ist gar nicht das Eigentliche, sie ist nur ein Anlass, von elektromagnetischem Smog, ärztlichen Kunstfehlern, Einsamkeit, Mobbing, psychischer Erkrankung zu erzählen. In dieser Bündelung vielleicht ein Übermaß an Sujets, aber das Autorentrio vermag immer eine gewisse Spannung zu halten, gibt Rätsel auf, lässt Geheimnisse wirken.

Die personellen Konstellationen haben ihren Reiz. Der Blinde begegnet einer Unsichtbaren, die elektrohypersensible Laurence muss sich permanent unter den Strahlen der Sendemasten hindurchducken, Lily findet sich, das Gegenteil der Unsichtbarkeit, am Cyberpranger wieder.

Kuriosum: Das Thema Quarantäne war in den Skripts schon angelegt, als die Dreharbeiten kurz vor Schluss wegen Corona unterbrochen werden mussten. Die Rolle der Augenärztin Laurence Decondé übernahm übrigens Myriem Akheddiou, Stammschauspielerin der Dardenne-Brüder, die Serienfans aus »Unit 42« kennen.

OmeU-Trailer

Meinung zum Thema

Kommentare

Unseen ist eine der besten Science Fiction die je in meinem Leben gesehen habe. Und ich habe so ziemlich alle gesehen.

Es ist nahezu unmöglich solch eine Geschichte überhaupt glaubwürdig zu erzählen und dann noch so spannend zu verfilmen.

Unter der Oberfläche werden eine Vielzahl von Gleichnissen zur Realität aufgespannt. Vielmehr verschwimmt die Grenze zwischen Fiktion und Realität. Es ist fast wie ein neues Genre.
Es berührt ethische Fragen, technologische Fragen und ganz menschliche Fragen ohne dabei die Welt in Schwarz und Weiß zu teilen oder mit dem moralischen Zeigefinger zu wedeln.

Die Serie hat alles was ein fantastisches Science-Fiction-Mystery-Reality-Drama braucht.

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