Disney+: »Fresh«

© 20th Century Studios

Die Liebe und der Hunger

Dass Dating der absolute Horror sein kann, ist natürlich keine Neuigkeit. Noa (Daisy Edgar-Jones) jedenfalls kann ein Lied davon singen, wie frustrierend es ist, über irgendwelche Apps Blind Dates zu vereinbaren, nur um dann beim Abendessen einen Mansplaining-Vortrag über Weiblichkeit erdulden zu müssen. Und dann nimmt der Typ auch noch ihre Reste aus dem Restaurant mit nach Hause, obwohl man sich die Rechnung sogar geteilt hat. Doch selbst sie ahnt nicht, dass es noch viel schlimmer geht.

Dabei lässt sich die Sache eigentlich gut an, als Noa in der Obstabteilung des Supermarkts den etwas älteren Steve (Sebastian Stan) kennenlernt. Flirten der alten Schule ist angesagt, der Typ ist charmant, aber nicht zu aufdringlich. Man tauscht Nummern aus, und tatsächlich verbringen die beiden bald einen ausgesprochen netten Abend miteinander. Sogar der Sex ist gut. Kein Wunder also, dass Noa aller Skepsis zum Trotz bald ganz schön verknallt ist – und sich auch auf einen spontanen Wochenendtrip mit dem Arzt einlässt. Doch hätte sie mal auf das ungute Bauchgefühl ihrer besten Freundin (Jonica T. Gibbs) gehört. Denn bald stellt sich heraus, dass es Steve weder um eine echte Beziehung noch um eine Bettgeschichte geht, sondern er viel finsterere Absichten hat.

Wer »Fresh« ohne Vorwissen sieht, den trifft die Wendung, die die Geschichte nach rund einem Viertel nimmt, reichlich unerwartet. Was als bissige Satire auf den Irrsinn beginnt, den paarungswillige Singles und vor allem Frauen heutzutage mitmachen, verwandelt sich in einen Horrorschocker, in dem die Redewendung von der Liebe, die durch den Magen geht, eine ganz neue Bedeutung bekommt.

Ist dieser Twist erst einmal verdaut, bleibt das Langfilmdebüt von Mimi Cave allerdings auch wieder ganz geradlinig auf seiner neu gefundenen Spur. Anders als etwa in »Promising Young Woman« bleiben Überraschungen aus, die das Publikum jedes Mal aufs Neue kalt erwischen. Und damit auch allzu tiefschürfende feministische Erkenntnisse oder Allegorien, die ein wenig über das Naheliegende hinausgehen. Überhaupt ist es vor allem das Drehbuch von Lauryn Kahn, das nach dem starken Beginn zu schwächeln beginnt: Weder das Komödiantische noch die Horrorelemente werden letztlich stark genug herausgearbeitet – gleichzeitig werden die Nebenfiguren ein wenig zu sehr wie Plot-Versatzstücke behandelt.

Dass man »Fresh« trotzdem gern sieht, liegt neben einem guten Tempo, solider Spannung und Caves Händchen für visuelles Flair am Duo in den Hauptrollen. Edgar-Jones hatte sich mit der Serie »Normal People« für mehr empfohlen und untermauert hier mit viel Charme und Toughness, warum ihr Hollywood gerade ein Großprojekt nach dem nächsten anvertraut (demnächst folgen die Miniserie »Under the Banner of Heaven« und der Kinofilm »Der Gesang der Flusskrebse«). Und Stan, der jenseits des Marvel-Universums immer schon mutige Entscheidungen getroffen hat, legt nach »Pam & Tommy« erneut einen eindrucksvoll-abgründigen Drahtseilakt hin.

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