Streaming-Tipp: »The Devil All the Time«

© Netflix

Spirale von Gewalt und Armut

Die Besetzung des Southern-Gothic-Dramas »The Devil All the Time« liest sich wie ein Who's Who des jungen englischsprachigen Independentfilms: Neben bekannten Namen wie Robert Pattinson, Mia Wasikowska und Tom Holland finden sich auch solch vielversprechende Newcomer wie Riley Keough, Bill Skarsgård und Eliza Scanlen im Cast der düsteren Netflixproduktion. Dazu kommt die übliche Hochglanzästhetik, die ein in sich geschlossenes Bild des amerikanischen Hinterlandes in den 50er und 60er Jahren zeichnet. Regisseur Antonio Campos hat mit »Simon Killer« und »Christine« zudem zwei brillante Geheimtipps des neueren US-amerikanischen Arthouse-Kinos zu verantworten. Alle Zutaten scheinen also zu stimmen – warum nur vermag der Film trotzdem nicht wirklich zu begeistern?

»The Devil All the Time« beruht auf dem Debütroman von Donald Ray Pollock, der hier mit eigener Stimme als Off-Erzähler fungiert. Pollock verarbeitete in dem Buch seine autobiografischen Erfahrungen vom Erwachsenwerden im bitterarmen Teil des ländlichen Bundesstaates Ohio. Film wie Buch greifen dabei sowohl auf gängige Versatzstücke des Southern-Gothic-Genres als auch auf Anleihen bei bekannten Vertretern wie William Faulkners »Als Ich im Sterben lag« und Charles Laughtons »Die Nacht des Jägers« zurück: unübersichtliche Familienverhältnisse, bigotte Religiosität, Gewalt und abgründige Sexualität.

Das funktioniert zu Beginn noch hervorragend: »The Devil All the Time« erzählt mitreißend die Geschichte des jungen Willard (Skarsgård), der schwer traumatisiert aus dem Zweiten Weltkrieg in sein abgelegenes Heimatdorf Knockemstiff zurückkehrt. Zunächst scheint alles gut zu gehen: Er heiratet die gutherzige Kellnerin Charlotte (Haley Bennet) und hat mit ihr einen Sohn, den schüchternen Arvin. Als Charlotte jedoch an Krebs erkrankt, bricht sich zunehmend ein von seinen Kriegstraumata eingefärbter religiöser Wahn in Willard Bahn, der schließlich in einem fatalen Gewaltausbruch kulminiert. Das Leben von Arvin (Holland) wird dadurch nachhaltig aus der Bahn geworfen. Der Film folgt ihm nun durch seine Teenagerjahre, die von Brutalität und Ungerechtigkeit gezeichnet sind.

Zunehmend verkommt Campos' Film dabei zu einer Aneinanderreihung von Scheußlichkeiten und Schicksalsschlägen, die schließlich eher ermüden als berühren. Der erstklassige Cast macht seine Sache erwartbar gut – besonders Robert Pattinson als schmieriger Priester hat sichtlich Spaß an seiner Rolle – ab einem gewissen Punkt lässt einen das Geschehen jedoch völlig kalt. Ein zweiter Erzählstrang um ein Serienkillerehepaar verkompliziert die Story unnötig und wirkt ungeschickt in die Handlung eingefügt. Worauf »The Devil All the Time« mit seiner überzeichneten Morbidität hinauswill, wird bis zum Schluss nicht ganz deutlich. Das Southern-Gothic-Genre hat sich mit Einträgen wie etwa Debra Graniks hervorragendem »Winter's Bone« zudem längst weiterentwickelt: Dort wird die Spirale aus Armut und Gewalt deutlich empathischer und komplexer inszeniert.

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