DVD-Tipp: »Inside Llewyn Davis«

© Studiocanal

Destillat einer Zeit

»I don’t see a lot of money here«, sagt der Musikproduzent unverblümt, nachdem Llewyn Davis ihm sein Stück vorgespielt hat. Da hat der Folksänger bereits den größten Teil einer harten Woche hinter sich, in der er sich von einer Couch zur nächsten gehangelt hat, von der Freundin seines Expartners wüst beschimpft, von seinem Agenten schnöde vertröstet und von Zufallsbegegnungen verprügelt oder anderweitig gedemütigt wurde. Denn im Winter 1961 kämpft der fiktive Folksänger Llewyn Davis im New Yorker Greenwich Village ums Überleben, die Musik, die er liebt, kann ihn nicht ernähren, und die Songs, die er spielt, werden immer trauriger. »Llewyn ist charismatisch, gesellig, offen und positiv«, sagt Oscar Isaac, der ihn spielt, »aber nicht in dieser Woche.«

Sicher, die Coens lieben es, ein ganzes Füllhorn von Schicksalsschlägen und Zufallsunglücken über ihren Helden auszuschütten, doch Inside Llewyn Davis ist ihr wohl traurigster Film, denn nur sie wissen, dass die Folkmusik zu diesem Zeitpunkt kurz vor einem Revival steht, dass Bob Dylan und Lou Reed ihr bald einen Kick versetzen werden, der auch Llewyns Existenz beflügeln wird. Das wunderbare Making-of des Films verrät viel über den kreativen Humus, in dem die Filme der Coens entstehen, die Mischung aus präziser Planung und lockerem ­Laisser-faire. Einen »Lost Moment« der Musikgeschichte wollten sie wieder aufleben lassen, erzählen die Coens, und so schleicht sich in die sonst so ausgeprägt kunstvollen Welten der Brüder hier ein fast dokumentarisches Element. Lose lehnt sich der Film dabei an die Lebensgeschichte des 2002 verstorbenen Folkmusikers Dave van Ronk an, als Destillat einer Zeit. Wie gut das funktioniert, kann man schon daran sehen, wie inspiriert sich junge Musiker wie Justin Timberlake in den kreativen Prozess einbringen, aber auch in einem gloriosen Konzert im New Yorker Rathaus, bei dem alle Musiker noch einmal zusammenkamen. Diesen ganz besonderen Spirit hat Christopher Wilcha in seiner Dokumentation Another Day, Another Time: Celebrating the Music of Inside Llewyn Davis eingefangen, der eine schöne Ergänzung der liebevoll aufgemachten Special-Edition ist.

... zur Filmkritik von Martin Schwickert

 
USA 2013
Anbieter: Studiocanal
FSK: 6
L: 104 Min
Extras: Making-Of, Doku Another Day, Another Time

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