Kritik zu Tron: Legacy

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Tron war 1982 eine von Steven Lisberger inszenierte Disney-Produktion über die damals junge Welt der Computerspiele. Jetzt hat Disney eine Fortsetzung dieses Kultfilms in 3D herausgebracht

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Der neue Tron, das ist tatsächlich ein Ungetüm von einem Film. Eine laute Digitaloper, ein dreidimensionales Cyberspace-Epos zwischen Western und Bibelfilm. Eine die Augen reizende Grafikexplosion, eine hemmungslose Design-Extravaganza. Vielleicht ist das der erste Mega-Experimentalfilm eines Major-Studios, vielleicht auch nur das erste Hyper-Commercial für ein neues Kino. Das ist Jules Verne auf Acid, das ist sicherlich der Cecil B. DeMille der Computeranimation.

Man ist genervt, verwirrt und geplättet, wenn man das Kino verlässt. Und auch ein wenig fasziniert vom Stand der Technik in Sachen Spezialeffekte. Aber man vermisst den Charme des alten Films, der auf beinahe unschuldige Weise vom Aufbruch in die neue Computerära erzählt hat. Man wundert sich, warum der neue Tron, inszeniert von Computerwunderkind und Werbefilmer Joseph Kosinski, so langatmig wirkt trotz der vielen extrem beschleunigten Passagen. Weil die Filmemacher keinen richtigen Rhythmus gefunden haben, weil sie aus den unzähligen Lichteffekten und geometrischen Figuren, die vielen Avantgardefilmemachern von Fischinger bis Lye ihre Reverenz erweisen, keine Spannung und keine Poesie herausgeholt haben. Das Einzige, das man gern anschaut im Cyberspace von Tron, sind die sogenannten Lichtrenner. Diese Zweiräder, die mit ihren Fahrern zu einer Einheit verschmelzen, besitzen eine gewissse grafische Eleganz. Ansonsten ähnelt der Entwurf dieser anderen Welt den Covern alter Pop-LPs. Im Grunde ist der neue Tron digitales Heavy Metal.

Die Geschichte ist eine mythisch angehauchte Vater-Sohn-Story. Der junge Sam Flynn, ein urbaner Rebell und Kritiker des Corporate America, sucht seit Jahren seinen verschwundenen Über-Dad: den legendären und idealistischen Kevin Flynn, der die Computerwelt als Amerikas neue frontier auffasste und schon im alten Tron als Held fungierte. Der junge Flynn findet auf verschlungenen Wegen in den verborgenen Cyberspace von Tron, wo er seinem Guru-Vater wiederbegegnet, der wie einst im alten Film von Jeff Bridges gespielt wird. Bridges als alter Flynn, der mit seinem grauen Bart wie ein Mix aus Kapitän Nemo und Gott Vater höchstpersönlich wirkt, ist ein Gefangener in dem von ihm selbst geschaffenen Raum, der von künstlichen Wesen, den »Programmen«, bevölkert wird. Die Disney- Megaproduktion übt hier ironischerwiese Kritik am Größenwahn.

Der junge und der alte Flynn sind eigentlich Cyberspace-Westerner und taugen nicht zum Vergleich mit aktuellen Internetgrößen wie Mark Zuckerberg oder Julian Assange. Dafür könnte ein dritter Mann herhalten, ein Masterprogramm namens Clu, verkörpert von einem computeranimierten Jeff Bridges, der als Cyber-Luzifer gegen seinen Schöpfer Kevin rebelliert und in die wirkliche Welt drängt. Mit diesem durch facial capture kreierten Neo-Bridges hat der Film ein grausiges, verlorenes Monster geschaffen: Traum und Alptraum des Kinos zugleich.

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