Nahaufnahme von Jason Momoa

Selten mit Hemd
Jason Momoa als »Aquaman« (2018) © Warner Bros. Pictures

Jason Momoa als »Aquaman« (2018) © Warner Bros. Pictures

Seine Karriere war die eines männlichen Bikini-Models – bis er in »Game of Thrones« als Khal Drogo auftrat. Körperbetonte Rollen sind jedoch weiter sein Ding, wie die Titelrolle des »Aquaman« im neuen Film aus dem DC-Universum zeigen wird

Zum (Sex-)Objekt gemacht zu werden, war die längste Zeit ein fast ausschließlich weibliches Problem. Wer sich die Cover der Lifestylemagazine heute so betrachtet, kommt aber mittlerweile zum eher gegenteiligen Schluss: Ausgebeutet wird zunehmend auch der männliche Körper. Die »Sixpacks« sind nicht mehr nur Ausdruck körperlicher Fitness, mit Vorbildfunktion, sondern werden explizit ausgestellt für ein begehrendes Auge. Als Daniel Craig in »Casino Royale« in enger Badehose aus dem Meer stieg und damit die explizit laszive Szene von Ursula Andress' Auftritt als Honey Rider in »Dr. No« wiederholte, geschah das noch mit einem gewissen Augenzwinkern. Trotzdem, die Chancen, als männliche Version eines typischen Bikini-Models im Film Karriere zu machen, haben deutlich zugenommen. Und Jason Momoa scheint auf den ersten Blick das beste Beispiel dafür abzugeben.

Seine äußerliche Attraktivität durch große Statur (1,93) und kräftigen Körperbau wird von der halbexotischen Herkunft noch akzentuiert: Momoa wurde 1979 auf Hawaii geboren, sein Vater ist Hawaiianer, die Mutter stammt aus dem Mittleren Westen der USA. Alles Faktoren, die ihn scheinbar für T-Shirt-lose Auftritte an sandigen Stränden prädestinieren. Tatsächlich findet sich in der Liste seiner Auszeichnungen die zum hawaiianischen Model des Jahres 1999. Dass er seine ersten Erfahrungen als Schauspieler in der Serie »Baywatch Hawaii« sammelte, wo er zwei Jahre lang die Rolle des Jason Ioane, nun, verkörperte, passt bestens ins Bild. Ist das »Baywatch«-Serien-Franchise doch kaum verhohlen eigens für den voyeuristischen Blick erfunden worden und leistete deshalb quasi Pionierarbeit darin, nicht nur den wogenden Busen von Pamela Anderson zur Geltung zu bringen, sondern auch den Männerkörpern in Badehosen mehr Schauwert abzugewinnen.

Die nächsten Rollen, die man Momoa antrug, versprachen nicht unbedingt eine Umkehr dieser Karrierekurve. In der über fünf Staffeln laufenden Abenteuer-Science-Fiction-Serie »Stargate: Antlantis« erlangte Momoa zwar bereits einen gewissen Kultstatus. Aber auch der verdankte sich vor allem einem körperlichen Attribut, nämlich den Dreadlocks, die er damals trug. Die Serienproduzenten hatten ursprünglich gewollt, dass er sie abschneidet, aber dann doch zugelassen, dass sie sein Markenzeichen wurden. Als er selbst der Frisur überdrüssig wurde, musste er deshalb eine Perücke tragen.

Erst 2010, »Stargate: Atlantis« war da schon ausgelaufen, bekam er die Rolle, die ihn berühmt machen sollte: Khal Drogo in der Serienverfilmung von George R. R. Martins Fantasy-Saga »Game of Thrones«. Bekanntlich performte Momoa beim Vorsprechen für die Rolle einen »Haka«. Als Anführer einer Reiterhorde verkörperte er den Barbaren Khal Drogo so exzellent, dass sein Auftritt auch noch sechs Staffeln später in Erinnerung ist. Es war eine ausgesprochen physische Rolle, aber sie gab Momoa das erste Mal Gelegenheit zu zeigen, wie nuancenreich sich auch eine Physis wie die seine einsetzen lässt. Fast ohne – verständliche – Dialoge machte er auf fesselnde Weise eine Entwicklung vom groben Vergewaltiger zum seiner »Khaleesi« doch sehr zugewandten Ehemann sichtbar.

Weil die Castingagentur dieselbe war, wurde Momoa zeitgleich mit Khal Drogo auch für die Titelrolle des Remakes des John-Milius-Klassikers »Conan, der Barbar« verpflichtet. Leider fiel der Film, bei dem der Frankfurter Marcus Nispel Regie führte, sowohl bei der Kritik als auch beim Publikum durch. Die Schuld daran sollte man statt bei Regie oder Schauspiel eher bei den Produzenten suchen, die das Remake-Projekt durchgewunken haben, ohne ausreichend Mühe auf ein originelles neues Konzept zu verwenden. Aber vielleicht muss man es auch so sehen: Der Misserfolg ersparte Momoa nicht nur die obligatorischen lästigen Sequels, sondern auch das weitere Festgelegtwerden auf eine Rolle, die fast ausschließlich über das Körperliche definiert wird.

Wer Jason Momoa als echten Schauspieler entdecken will, sollte die vom Kabelsender Sundance produzierte Serie »The Red Road« schauen. Darin verkörpert Momoa einen Mann mit indigen-amerikanischen Wurzeln, der zwischen den Welten, hier die Stammeszugehörigkeit der Mutter, dort das kriminelle Milieu des Vaters, verlorenzugehen droht. Die Serie erzählt als Konflikt, was zu Momoas eigenen Erfahrungen zählen muss: wie sehr das eigene Leben davon bestimmt wird, wie andere einen wahrnehmen. Momoa spielt dabei nicht einfach die übliche Umkehr von äußerer Härte und innerer Verletzlichkeit, sondern es gelingt ihm, die Dynamik der ständigen Kränkung darzustellen, die Härte, die daraus resultiert, dass andere von einem nur Brutalität erwarten. Es war die erste Rolle, für die er sich nicht habe ausziehen müssen, scherzte Momoa gegenüber dem »Hollywood Reporter«. Von »The Red Road« gibt es zwei Staffeln, noch ist nicht ausgeschlossen, dass eine dritte gedreht wird.

In der Netflix-Serie »Frontier« spielt Momoa eine ganz ähnliche Rolle wie in »The Red Road«, wenn auch mit weniger psychologischer Komplexität. Auch hier ist er wieder das »Halbblut«, Anführer eines Pelzschmuggler-Clans im Kanada des 18. Jahrhunderts, der zwischen den Fronten steht.     

Dass Momoas »Innenleben« nicht dem Klischee des Actiondarstellers entspricht, kommt fast selbst als Klischee daher. Für den Sohn eines Malers und einer Fotografin war das Aufwachsen eher von künstlerischen Sensibilitäten geprägt als von Arnolds Schwarzeneggers »Conan der Barbar«. Momoa hat als junger Mann die Welt bereist, hat in Paris und Tibet gelebt. Wikipedia berichtet gar von einem begonnenen Studium der coolsten aller Naturwissenschaften, der Meeresbiologie. Seit 2007 ist er mit der zwölf Jahre älteren Lisa Bonet zusammen, das Paar hat zwei Kinder.

Seit er die Rolle des »Aquaman« übernommen hat, kann er es sich leisten, von Großproduktion zu Independentfilm zu wechseln. Unter anderem trat er in Ana Lily Amirpours »The Bad Batch« auf – allerdings auch da wieder in einer ausgesprochen körperbetonten Rolle.  

Ob Jason Momoa nun als »Aquaman« den erhofften Erfolg einspielen wird – nicht nur für den einzelnen Film, sondern für das ganze bislang der Marvel-Welt hinterherhinkende DC-Universum –, das hängt ein weiteres Mal nicht von ihm und seiner Schauspielleistung ab. Für sich gesehen stellt Momoa zunächst eine durchaus inte­ressante Wahl dar für eine Figur, die einst als blonder, blauäugiger Exkönig von Atlantis konzipiert wurde. Es wird alles vom Aussehen abhängen, diesmal aber nicht von der Ansehlichkeit des Körpers, sondern vom tatsächlichen Schauwert der Spezialeffekte und der Glaubwürdigkeit, mit der die dafür Verantwortlichen aus der eigentlich albernen Vorstellung einer Unterwasserhandlung überzeugende Szenen kreieren.

»Aquaman« startet am 20.12.; die dritte Staffel von »Frontier« läuft seit dem 23. November

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