Nahaufnahme von Cary Elwes

Die Qualen eines Helden
Cary Elwes in »Stranger Things« (Staffel 3, 2019). © Netflix

Cary Elwes in »Stranger Things« (Staffel 3, 2019). © Netflix

Der Engländer Cary Elwes war Teil von zwei Kultphänomenen: als junger Swashbuckler im ironischen Filmmärchen »Die Brautprinzessin« und als »der Typ, der sich den Fuß abschneidet« in »Saw«. Den ganz großen Erfolg hat er nie erlebt. Aber jetzt sieht man ihn wieder öfter, auch dank Streaming

Gavin Hawk ist zwar ein gefeierter Shakespeare-Mime, doch das Aussprechen des Namens »Macbeth« durch seine Besucherin Susie versetzt ihn in Panik: Das bringt Unglück am Theater. In der Tat, das Auftauchen der burschikosen Künstleragentin in der Garderobe des Broadwaystars, bei dem sie ihm ein originelles Engagement schmackhaft macht, wird zu seiner tiefsten Demütigung auf der Theaterbühne führen. Denn als er von seiner unbezähmbaren Mitspielerin Sophie Lennon coram publico zu einem Häufchen Elend reduziert wird, lacht das Publikum herzhaft: Das hat der aufgeblasene Kerl irgendwie verdient. Mit dieser augenzwinkernden Nebenhandlung wird in der dritten Staffel der Erfolgsserie »The Marvelous Mrs. Maisel«, nach Rufus Sewell (Staffel 2) ein weiterer Brite gewürdigt, der trotz jahrzehntelanger Karriere in Hollywood ein Außenseiter geblieben ist: Cary Elwes. Und wenn er zum Serien-Einstand als Gavin Hawk die Agentin mit exaltierter Geste belehrt, dass Tragödie und Komödie, das Erhabene und das Lächerliche, eins sind, dann beschreibt das auch ganz gut Elwes' Paraderollen. 

Elwes' burlesker Auftritt dürfte besonders amerikanischen Zuschauern Freude bereiten. Denn der 1962 in London geborene Schauspieler hat seit seiner ironisch gebrochenen Heldennummer in »Die Braut des Prinzen« (1987) den Status einer Ikone. Rob Reiners Fantasykomödie, in der ein Stallbursche zum Happy End die Prinzessin (Robin Wright) kriegt, war einer der ersten genreübergreifenden Filmspäße. Der rasante Tonwechsel zwischen Herzschmerz und Parodie, Grimms Märchen, Mantel-und-Degenfilm und Fantasy mit Horror-Abstechern war an der Kinokasse nur mäßig erfolgreich. 

Als DVD aber entwickelte sich das schräge Spektakel zum Kultfilm, vor dem sich an Feiertagen einträchtig Familien versammelten und dessen Sätze, zum Beispiel »Wie Ihr es wünscht«, ins popkulturelle Gedächtnis eingingen. Sogar das Buch über das Making-of, das Elwes 25 Jahre später anlässlich des Filmjubiläums veröffentlichte, wurde zum Bestseller. Seine für den Film antrainierten Fechtkünste kamen unter anderem auch in Mel Brooks beherzt tiefergelegter Komödie »Robin Hood – Helden in Strumpfhosen« von 1993 zum Einsatz. 

In jenen Jahren war der junge Brite oft im Kreise weiterer gutaussehender Draufgängertypen zu sehen, darunter im Bürgerkriegsdrama »Glory« (1989) und im Rennfahrerfilm »Tage des Donners« (1990), in dem er im Abspann neben Tom Cruise und Nicole Kidman aufgeführt wird. Warum aber hat sich Cary Elwes nicht wie Cruise dauerhaft als jugendlicher Held oder als prince charming etabliert? 

Von den gutgelaunten Märchenparodien seiner Anfänge an zeichnet sich ein Muster ab: Regisseur lieben es, ihn zu malträtieren. Schon in einem seiner ersten Filme, dem britischen Kostümdrama »Lady Jane – Königin für neun Tage« 1986 endet er neben Helena Bonham Carter auf dem Schafott. Bei Rob Reiner wird er zu Tode gefoltert und mit schlackernden Gliedern wiedererweckt, bei Mel Brooks wird ihm fast die Zunge herausgerissen. Später wird er im Katastrophenfilm »Twister« (1997) als arroganter Tornadojäger Jonas Death von der Windhose nicht nur durch umherfliegende Metallteile gepfählt, sondern mit seinem Wagen durch die Luft gewirbelt, um dann am Boden zu explodieren. Und in »Saw« (2004), dem sich unerwartet zum Hit entwickelnden Splatterfilm, muss er sich in einer noch längeren Quälszene den Fuß absägen. 

Elwes sieht mit seinem blonden Haarschopf und seinen charakteristischen eisblauen Augen nicht nur gefährlich gut aus; sein glattes, keckes Jünglingsgesicht hat er bis heute konserviert. Sein Markenzeichen ist ein Grinsen mit einem spöttisch nach oben gezogenen Mundwinkel, sein Tonfall gerne sarkastisch. In seinen Filmen demonstriert er oft einen mal mehr, mal weniger ausgeprägten Hang zu Blasiertheit und Überheblichkeit. Und es ist vielleicht diese Aura präpotenter Selbstgefälligkeit, die ihn in »Die Braut des Prinzen« sowohl für die Rolle des Helden à la Errol Flynn wie des Watschenmanns prädestiniert.

»Er ist Brite!« erklärt Agentin Susie in »Mrs. Maisel«, als Gavin Hawks Bühnenpartnerin, die auf proletarische Ulknudeln spezialisierte Sophie Lennon, sich beklagt, dass sie ihn in seiner schnöseligen Redeweise nicht verstehe. Es ist nun müßig, darüber zu spekulieren, ob man Cary Elwes, wäre er in Hollywood zwei Jahrzehnte später auf der Bildfläche erschienen, zum »Brit-Boom« gezählt hätte – ob er, wie heute etwa Tom Hiddleston und Benedict Cumberbatch, als Paradebeispiel für jene in Eliteschulen gepäppelten und in Shakespearestücken geeichten Upper-Class-Engländer gegolten hätte, die Amerikanern die besten Rollen wegschnappen. Auch Elwes, der zunächst in London Schauspiel studierte, erfüllt zum Teil dieses Klischee. Sein Filmdebüt »Another Country« (1984), ein historisches Drama über die Jugend eines homosexuellen späteren Doppelagenten (nach dem Vorbild von Anthony Burgess) in einem Eliteinternat, könnte nicht englischer sein. Er spielt an der Seite von Rupert Everett und Colin Firth das Objekt der Begierde der Hauptfigur. Und Elwes' eigener Stammbaum, gespickt mit Adligen, Künstlern, Forschern und hohen Militärs, dürfte zu den tollsten in der Traumfabrik gehören. 

Nun ist Elwes mit seiner irritierenden Ausstrahlung ein Hingucker. Er kann sich vor der Kamera nahezu unsichtbar machen und zugleich mit seinen tiefliegenden, merkwürdig glimmenden Augen Beunruhigung auslösen. Anders als seine jüngeren Landsmänner aber bekommt Elwes, obwohl er, neben Actionregisseuren wie Jan de Bont (»Twister«) auch bei Regiekünstlern wie Francis Ford Coppola (»Bram Stoker's Dracula«) beliebt ist, nur selten feiner ziselierte Charakterrollen. Zu den Ausnahmen gehört Peter Bogdanovichs Drama »The Cat's Meow« (2001), das inspiriert ist von einem Hollywood-Insidergerücht über den gewaltsamen Tod des legendären Western-Produzenten Thomas Harper Ince 1924 auf der Yacht von William Hearst. Inmitten der Lustbarkeiten einer Party versucht Ince, den Gastgeber Hearst dazu zu bewegen, in einen Film zu investieren, in dem Hearsts Geliebte Marion Davies, die ihrerseits von Charlie Chaplin umschwirrt wird, groß herauskommen soll. Elwes verkörpert den vor der Pleite stehenden Filmpionier als einen Mann zwischen Schein und Sein, nach außen ein Erfolgsmensch, insgeheim verzweifelnd an seiner Degradierung zum Bettler – und daran, dass er bei seinem Ranwanzen an den Pressemogul zum Denunzianten wird. 

In seiner bisherigen Laufbahn spielte Elwes, meist in der zweiten Reihe eines Allstar-Ensembles, eine große Bandbreite schillernder Typen: vom jungen Polen Karol Wojtyla im Fernsehdrama »Papst Paul Johannes II.« (2006), der in den Gräueln des 2. Weltkriegs zu seiner Bestimmung findet, über Andy Warhol in »Billionaire Boys Club« (2018) bis hin zum Serienkiller Ted Bundy (»The Riverman«, 2004). Als Serienkiller, hinter dessen Maske eines bubihaften Mannes eine perverse Herrenmenschenarroganz zum Vorschein kommt, machte Elwes erstmals im Psychothriller »Denn zum Küssen sind sie da« (1999) Eindruck. Und es scheint bis heute vor allem diese dunkle Seite zu sein, die Regisseure anzieht, wie Elwes' Horrorfilmrepertoire beweist. 

In den letzten Jahren geriet der Schauspieler auch dank des Streamingbooms wieder stärker in den Fokus, beginnend mit der Serie »Stranger Things«, in der er einen zwielichtigen Bürgermeister spielt. Aktuell ist Elwes in Guy Ritchies Actionthriller »Operation Fortune« zu sehen, in dem Jason Statham weitere Stars wie Hugh Grant und Josh Hartnett um sich schart; im kommenden Jahr tritt er in »Mission Impossible 7« wieder mit Tom Cruise auf, seinem alten Rivalen aus Tage des Donners.

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