Kritik zu Du & Ich und alle reden mit
Bisher galt Paolo Genovese als der internationale Remake-Champion: Seine Komödie »Perfetti Sconosciuti« (Das perfekte Geheimnis) hat rund 20 Neuverfilmungen hervorgebracht. Nun tritt der Regisseur selbst in fremde Fußstapfen
Als psychologische Disziplin mag die Transaktionsanalyse zwar in die Jahre und aus der Mode gekommen sein. Als Erklärungsmodell menschlichen Verhaltens jedoch kann sie nach wie vor von Nutzen sein. So bestätigt es beispielsweise den psychoanalytischen Urverdacht, dass zwei Menschen nie allein sind, wenn sie miteinander ins Bett gehen: Da sind immer noch andere mit von der Partie, das Über- oder das Eltern-Ich zum Beispiel.
Es ist nicht völlig ausgeschlossen, dass Paolo Genovese mit dieser Theorie vertraut ist (er wurde neun Jahre nach ihrer Entwicklung geboren), aber die unmittelbare Inspirationsquelle für seine neue Komödie ist wohl doch etwas naheliegender: Er übernimmt den Kniff der trefflichen Pixar-Produktion »Alles steht Kopf«, nur eben mit Realfiguren. Das Publikum lernt also nicht nur die Hauptfiguren Lara (Pilar Fogliati) und Piero (Edoardo Leo) kennen, sondern im gleichen Rutsch auch deren vielstimmiges Innenleben. Eingangs mag man noch vermuten, Piero würde sich für das erste Rendezvous mit ihr Tipps aus seinem Freundeskreis holen, aber schnell findet man heraus, dass das heftig debattierende Viergespann nur in seinem Kopf existiert. Auch auf Laras Seite herrscht mitnichten Eintracht, wie beim ersten Date vorzugehen sei.
Für sich allein genommen wirken Genoveses Protagonisten zwar sympathisch, aber etwas farblos. Ihre Charaktere bedürfen des Reliefs, damit man ihre Liebesanbahnung vollends begrüßen kann. Die acht Plagegeister sind mithin dringend willkommen. Das Abendessen in Laras Wohnung wird gewürzt mit einer Mischung aus Zweifeln und Hoffnungen, vorsichtigem Zögern und romantischer Geistesgegenwart. Eingangs verläuft das Rendezvous konventionell, man erzählt einander von der jeweiligen Arbeit (sie restauriert alte Möbel, er ist Lehrer), bis es ans Eingemachte des erotischen Vorlebens geht (er ist gerade geschieden; sie hat leidlich bewegte Erfahrungen gesammelt, darunter eine noch nicht ganz abgeschlossene Affäre). Blessuren haben die zwei schon davongetragen, und der Narbenvergleich ist eine hübsche Annäherungsidee.
Nun gilt es, die Zeichen zu deuten, die vom anderen ausgehen. Dem achtsamen Voranschreiten der Romanze ließe sich durchaus eine Me-too-Ebene einziehen, aber der smarte Genovese bleibt bei seinem komödiantischen Leisten. In Italo Calvino findet er hierfür einen Gewährsmann, denn in dessen »Amerikanischen Lektionen« heißt es: »Leichtigkeit ist keine Oberflächlichkeit.« Beide Hauptdarsteller verfügen über eigene Regieerfahrung, was ihnen den Wechsel der Perspektiven sicherlich erleichtert. Wie sich der Film im Zehnerpack durch die Fährnisse widerstrebender Impulse navigiert, hat schon Witz und gebiert hinlängliche Überraschungsmomente.
Genoveses letzter Kunstgriff, die zwei Ratgeberparteien aufeinandertreffen zu lassen, liegt so nahe wie jede andere seiner Drehbuchideen. Widerhaken hat das vielköpfige Rencontre dennoch: Die zwei im Mittelpunkt passen besser zueinander als ihre Sekundanten.



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