Kritik zu Jane Austen und das Chaos in meinem Leben
In dieser feinsinnigen »Bridget Jones«-Variante wagt sich eine eigenbrötlerische Buchhändlerin in einen Literatur-Workshop und krempelt ihr Leben um
Es ist ein ungeschriebenes Gesetz, dass in Filmen mit Jane-Austen-Bezug eine ansprechende Ausstattung garantiert ist. Deshalb ist auch hier alles auf unaufdringliche Weise schnuckelig, angefangen von der Buchhandlung, in der die Heldin arbeitet – Shakespeare & Co in Paris –, über die Wohnung, in der sie mit ihrer Schwester und deren Sohn lebt. Und besonders jenes ländliche Herrenhaus, in das sie zu einem Schreibaufenthalt eingeladen wird. In der »Jane Austen Writers Residency« soll Agathe im Kreise weiterer Nachwuchsautoren, umsorgt von einem liebenswürdigen Ehepaar, Nachkommen der Austen-Familie, an ihrem Romanmanuskript weiterarbeiten. Deren leicht versnobter Sohn Oliver aber, der seinen Eltern bei der Betreuung der Gäste hilft, legt sich gleich mit Agathe an.
Das Regiedebüt der renommierten Drehbuchautorin Laura Piani erweist sich über diese Muster hinaus als anregender Meta-Film. Die nicht mehr ganz junge Agathe beschreibt sich selbst als eine »Anne Elliot«, jene altjüngferliche Heldin in Austens letztem Roman, die »ganz bewusst an ihrer Existenz vorbeilebt«. Für die intellektuelle Buchhändlerin ist die Literatur vergangener Zeiten Fluchtort vor den Zumutungen der Gegenwart und Trauma-Therapie. Männern traut sie nur in Gestalt ihres Kollegen und Kumpels Félix. Und der zwingt sie, ihr Schneckenhaus zu verlassen, indem er die ersten Kapitel ihres Romanmanuskripts bei einem Schreibwettbewerb einreicht. Und eigenhändig dafür sorgt, dass die bockige Agathe die Fähre Richtung England nimmt.
Camille Rutherford, die Agathe eine giraffenhaft-eckige Anmut verleiht, verkörpert glaubhaft eine komplexe Frauenfigur: zerrissen zwischen Begehren und Weltflucht, dem Drang auszubrechen und sich zu verkriechen, zwischen dem unbesorgten Félix und dem dunkel umwölkten Oliver als prototypischer »Mr. Darcy«. Zwar nicht so quietschfidel wie ihr Londoner Gegenstück Bridget Jones, ist Agathe trotz ihres melancholischen Gemüts lustig und scharfzüngig.
In dieser geradezu unverfroren lässigen Austen-Vereinnahmung wird das französisch bzw. perfekt englisch Sprechen der Beteiligten mit zweisprachigen Familien wegerklärt. Das angeblich englische Landhaus mit Blümchentapeten und nostalgischem Trödel steht tatsächlich (auch wenn sich das Presseheft darüber ausschweigt) irgendwo in Frankreich. Der Fokus dieser romantischen Komödie liegt nicht allein auf Agathes Liebeswirren, sondern mehr noch auf dem permanenten Druck, unter dem kreative Menschen stehen. Gemartert vom Drang, sich schreibend auszudrücken, und der Angst vor dem leeren Blatt, stürzt Agathe in eine Schreibblockade, gefolgt von Männerstress. Zwischen Zartheit und Burleske und mit einem Anflug von »Mystery« gelingt es Piani, die prekäre Balance zwischen Körper, Geist und Gefühl, Sinn und Sinnlichkeit zu veranschaulichen. Dass Agathes literarisches Schaffen in den Hintergrund gerät, mindert nicht das Vergnügen an dieser feinsinnigen Austen-Variation. Austens Welt, so zeigt auch dieser Film, ist als Inspiration noch lange nicht ausgereizt.
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