Interview: Oliver Masucci über »The German«
Oliver Masucci in »The German« (Staffel 1, 2025). © Magenta TV
Oliver Masucci, 1968 in Stuttgart geboren, wuchs der Sohn eines Italieners und einer Deutschen in Bonn auf und feierte erste Erfolge in TV-Serien und besonders im Theater. Von 2009 bis 2016 war er festes Ensemblemitglied am Wiener Burgtheater. Einem breiten deutschen Publikum wurde er durch die Verkörperung von Adolf Hitler in David Wnendts Romanadaption »Er ist wieder da« (2015) bekannt, sein internationaler Durchbruch folgte 2017 mit der Netflix-Serie »Dark«. 2021 erhielt er für seine Verkörperung von Rainer Werner Fassbinder in Oska Roehlers Biopic »Enfant Terrible« den Deutschen Filmpreis
Herr Masucci, Sie haben Ihr Kinodebüt 2015 in der Verfilmung des Erfolgsromans »Er ist wieder da« gegeben. Darin verkörperten Sie Adolf Hitler, der im Deutschland der Gegenwart wieder auftaucht. Die Zeit des Nationalsozialismus spielt auch in mehreren Ihrer anderen Arbeiten eine große Rolle. Ist das für Sie nach wie vor spannend, ihr durch verschiedenste Rollen neue Aspekte abzugewinnen – oder fühlen Sie Sich manchmal typecast?
Nein. Typecast würde ja bedeuten, dass ich nur besetzt werde für das, was ich eh bin. Ich spiele ja komplett unterschiedliche Figuren. Schachnovelle oder Als Hitler das rosa Kaninchen stahl oder Werk ohne Autor spielen zur Zeit der Nazis, Er ist wieder da spielt in unserer Zeit. Diese Zeit bleibt einfach spannend auch über den Krieg hinaus. Nach dem Krieg sind die Nazis plötzlich verschwunden. Aber wo sind sie hin? Welche Routen haben sie genommen? Spielte der Vatikan eine Rolle? Südamerika? Chile? Pinochet? Die CIA? Welche Länder haben sie aufgenommen? Wer hat weiter mit ihnen gearbeitet? Wer hat sie für was benutzt? Wie hat man das Trauma des Holocaust verarbeitet? Ist man drüber weggekommen oder hat es sich weitervererbt? Und wie äußert sich das?
In der Serie »The German« verknüpft sich das Schicksal von Holocaustüberlebenden, die ihre schmerzhafte Vergangenheit verdrängt haben, mit Naziumtrieben in Deutschland 25 Jahre nach Kriegsende sowie der Jagd des israelischen Geheimdienstes auf einen untergetauchten hochrangigen Nazi.
»The German« ist ein Agententhriller und erzählt eine vollkommen andere Geschichte des Holocaust aus den 70er Jahren heraus. Uri, selber Holocaustüberlebender, Kibbuz- Bewohner und Familienvater, wird gegen seinen Willen vom Mossad rekrutiert, um einen Kreis um den KZ-Arzt Mengele herum zu infiltrieren, einen der furchtbarsten Protagonisten der Zeit. Traumatisiert kehrt er nach Deutschland zurück. Er tut das aus Liebe, um seine Familie zu retten, seinen Sohn vor Strafverfolgung zu bewahren. Doch die Vergangenheit und die dunklen Geheimnisse holen die Figuren ein. Das Verschwiegene und das, was man getan hat, um zu überleben, kehren ans Licht. Es wird nicht schön, sondern immer gefährlicher.
Wie haben Sie eine Beziehung zu dieser Figur entwickelt und wie wichtig war die Rolle für Sie?
Sehr wichtig. Andere gingen am 8. Oktober auf Demos und sympathisierten mit der Hamas und schrien »Free Palestine!« und »From the River to the Sea...!«, was so viel bedeutet wie Krieg forever. Es war ein Statement, nach dem 7. Oktober nach Israel zu gehen und dort mit Künstlern während des Krieges eine Serie zu drehen. Es kamen 30 bis 60 Raketen der Hisbollah täglich, Überschallraketen der Huthis und Iraner. Drohnen explodierten. Terrorattacken. Wir fuhren mit einem mobilen Bombshelter durchs Land und drehten an Originalschauplätzen.
Im Nachspann las ich etwas von Georgien. Wurde dort auch gedreht?
Das meiste wurde in Israel gedreht; in Georgien entstanden diejenigen Szenen, die in Deutschland in den 70er Jahren spielen, hauptsächlich in Süddeutschland und München. Das war auch spannend. Denn vom Krieg in Israel ging’s zu den Riots und Parlamentswahlen nach Tiflis. Es war ein lehrreiches und sehr herausforderndes Jahr. Ich war danach ziemlich durch.
In der Serie wird zum größten Teil Hebräisch gesprochen, Ihre Figur spricht aber auch Englisch und Deutsch.
Ich las die Serie auf Englisch, war begeistert. Dann haben sie mich gefragt, ob ich das auch auf Hebräisch machen könnte. Ich habe den Produzenten eine halbe Stunde lang erklärt, warum das auf keinen Fall geht. Sie nickten und fragten dann: »Können wir es nicht trotzdem tun?« Ich musste lachen über so viel Beharrlichkeit und sagte: »Gut, dann machen wir’s eben.« Also habe ich erst mal Hebräisch gelernt.
Haben Sie gefragt, ob die Produktion auf Sie aufgrund einer bestimmten Darstellung in einer anderen Serie oder einem anderen Film aufmerksam wurde?
Die Autoren Moshe Zonder (von »Teheran« und »Fauda«) und Ronit Weiss-Berkowitz (»The Girl from Oslo«) hatten Dark und Er ist wieder da gesehen und sagten, das ist unser Mann.
Sie mussten sich nicht in einem Casting gegen andere Bewerber durchsetzen?
Bestimmt. Es gab noch jemand anderen.
In den Credits sind Sie auch als einer der Executive producers aufgeführt. Was beinhaltete diese Funktion?
Ich kann mitentwickeln. Ich mache das nur noch so. Es ist viel kreativer, als einfach nur besetzt zu werden. Seit ich zwölf Jahre alt war, stand ich auf der Bühne. Die dramaturgische Erfahrung am Theater hilft auch beim Film. Ich habe mit dem Regisseur Gabriel Bibliowicz, dem Produzenten Assaf Gil und den Autoren an den Büchern gearbeitet und die Story und Figuren weitergestalten können. Es war eine tolle Arbeit auf Augenhöhe. Sehr fruchtbar und wir alle haben durch diesen Austausch viel — und uns vor allem lieben gelernt.
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